Der Deutsche Bundestag hat am 24.6.2021 eine umfangreiche Reform des deutschen Stiftungsrechts beschlossen. Die neuen gesetzlichen Regelungen treten am 1.7.2023 in Kraft. Aus den bisher neun Paragrafen der §§ 80 ff. BGB sind unter dem neuen Titel „Rechtsfähige Stiftungen“ nunmehr 36 Paragrafen geworden. Die bundeseinheitlichen Regelungen lösen in Zukunft das zersplitterte Landesstiftungsrecht ab. Dass es sich hierbei nur um eine „Vereinheitlichung“ handelt, wie vom Gesetzgeber so namentlich genannt, ist nicht ganz zutreffend. Die umfangreiche Neukodifizierung beinhaltet auch weitgehende Wertentscheidungen. So wird die Gründung von Verbrauchsstiftungen durch die neuen Vorgaben des § 81 Abs. 2 BGB-neu im Vergleich zu den bisherigen Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen erschwert durch die Verpflichtung, von vornherein bei Begründung der Stiftung die Zeit, für die die Stiftung errichtet wird, festzulegen und ebenso Festlegungen zu treffen über die Verwendung des Vermögens über die gesamte Laufzeit der Stiftung.
Die Erfahrungen der Stiftungspraxis zeigen dagegen, dass Stifter, die ihre Stiftung zeitbegrenzen wollen, den genauen Beendigungszeitpunkt der Stiftung gerade nicht festlegen wollen, sondern nur eine Mindestzeit von etwa zehn Jahren, wie bereits jetzt gesetzlich vorgesehen (und sonst nichts). Stifter wollen den Vermögenseinsatz während der Lebensdauer der Stiftung zudem nicht durch Vorgaben bei Gründung der Stiftung festlegen müssen, sondern sich an den Projekten und der Sinnhaftigkeit der Projekte orientieren. Auch die Neuregelungen zu den Anforderungen an erleichterte Satzungsänderungen gemäß § 85 Abs. 4 BGB-neu eröffnen große Beurteilungsspielräume. Erleichterte Satzungsänderungen sind durch die Neuregelungen nur zugelassen, wenn der Stifter bereits im Stiftungsgeschäft Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt. Auch hier zeigt die Stiftungspraxis, dass solche gesetzlichen Vorgaben nicht dem Willen der Gründungsstifter entsprechen. Gründungsstifter sehen sich in der Regel gar nicht in der Lage, potenziell erforderliche Satzungsänderungen bereits bei Gründung der Stiftung hinreichend bestimmt festzulegen. Mit dem neuen Stiftungsrecht werden Stiftungspraktiker und Stiftungswissenschaftler vor solche und zahlreiche ähnliche Fragen und Probleme gestellt.
Da kommt die erste kommentierende Buchveröffentlichung zum neuen Stiftungsrecht von Schiffer, Pruns und Schürmann, alle Rechtsanwälte und Partner in der Kanzlei Schiffer & Partner in Bonn, gerade recht. Die Autoren verschaffen dem Leser zunächst einen guten Überblick über die gesetzlichen Neuregelungen, indem sie das alte und neue Recht in einer Synopse gegenüberstellen, dann die Begründung des Gesetzentwurfes einschließlich der Empfehlungen des Rechtsausschusses anschließen und diese dann mit eigenen Anmerkungen und Hinweisen versehen.
Dabei wird deutlich, dass auch für die notarielle Praxis die Reform des Stiftungsrechts von großer Bedeutung ist. Durch das Gesetz und die Gesetzesbegründung wird jetzt klargestellt, dass das Stiftungsgeschäft auch bei Einbringung von Grundstücken nicht der notariellen Form bedarf, sondern stets die Schriftform ausreicht. Gleichwohl kann freiwillig die notarielle Form gewählt werden, zumal der Vollzug der Einbringung nach Anerkennung der Stiftung ohnehin zu beurkunden ist. Vor allem bei Vermögensübertragungen, Nachlassplanungen, gesellschaftsrechtlichen Nachfolgestrategien und Eigentumsfragen ist das Instrument der Stiftung in seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten in die notarielle Beratungspraxis mit einzubeziehen. Zeitgleich mit den Reformen des Stiftungsrechts ist das Stiftungsregistergesetz beschlossen worden, dessen Vorschriften am 1.1.2026 in Kraft treten.
Inhaltlich orientiert sich das Stiftungsregister, das zentral beim Bundesamt für Justiz in Berlin geführt wird, an den bekannten Registern, wie etwa den Vereins- und Handelsregistern und den ebenfalls bekannten Beglaubigungserfordernissen. Die Autoren gehen in der Veröffentlichung (§ 5 Stiftungsregister) darauf ein, wann und welche Registeranmeldungen vorzunehmen, welche Unterlagen beizufügen sind und welche Wirkungen die Eintragungen entfalten.
Die Autoren der Buchveröffentlichung vermitteln nicht nur wertvolle Kenntnisse, sondern bringen auch langjährige Erfahrungen aus der Beratungspraxis ein. So stellen sie zu Recht die Frage, ob sich die Stiftung von Todes wegen empfiehlt oder ob das Modell der „lebzeitigen Anstiftung und letztwilligen Zustiftung“ vorzuziehen ist. So besprechen die Autoren die Problematik, dass nach der Neuregelung des § 81 Abs. 1 Nr. 2 BGB-neu der Stifter über den Erbteil der Stiftung keine Dauertestamentsvollstreckung mehr vorsehen darf. Klargestellt wird auch, dass die Rechtsform der Stiftung & Co. KG kein Auslaufmodell ist.
Die Autoren vermitteln, dass Stiftungsberatung eine Kunst ist und die Lösung stets im konkreten Einzelfall liegt. Mit einer dem Stifter übergestülpten Mustersatzung – so die Autoren – kann dem Stifter ein Bärendienst erwiesen werden. Auch die Stiftungsbehörde kann (allein) die Beratung nicht übernehmen. Sie prüft, ob die Stiftungssatzung und spätere Änderungen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, nicht aber, ob die getroffenen Regelungen gerade für die besonderen Vorhaben des Stifters passend sind. Die Herausarbeitung und Beschreibung des Stifterwillens ist eine wesentliche Aufgabe der Stiftungsberatung.
Auf eine gute Stiftungsberatung wird es mehr denn je ankommen. Die fundierte Wissensvermittlung, vor allem aber auch die wertvollen Hinweise aus der Beratungspraxis lassen die Veröffentlichung als weit mehr erscheinen als einen genauen ersten kommentierenden Blick auf die neuen gesetzlichen Regelungen. Sie ist ein unverzichtbarer und empfehlenswerter Ratgeber zum neuen Stiftungsrecht.