Zugegeben, die Überschrift ist ein bisschen heavy.
Aber ja. Für mich ist der Beruf als Notarfachangestellte/r bzw. Notarfachwirt/In einer der schönsten Berufe der Welt.
Jetzt denken viele meiner Kolleg/innen: „was, schreibt die denn da?“
Es gibt so viel besser bezahlte Berufe, so viele Berufe, die weniger Stress mit sich bringen. So viele Berufe, die nicht immer unter einem zeitlichen Druck stehen. So viele Berufe, die einfach viel mehr – ja, wie sagt man heute – „fancy“ sind.
In den Sozialen Medien lesen wir fast täglich über die schlechten Arbeitsbedingungen, die cholerischen Vorgesetzten und den Zickenkrieg unter den Mitarbeitenden. Wir lesen Beiträge über Mitarbeitende, die ihr Wissen nicht weitergeben. Wir lesen Beiträge über den Fachkräftemangel in unserer Branche und, dass dieser Fachkräftemangel, diese und jene Gründe hat. Und dann lesen wir Beiträge, die die Meinung vertreten, dass die Digitalisierung nicht schnell genug vorangeht.
Auf der anderen Seite lesen wir Beiträge, die die Meinung vertreten, dass die Digitalisierung nur mehr Arbeit bringt und wir alle doch sowieso schon viel zu sehr überlastet sind. Dann kommen das Geldwäschegesetz und alle weitere Arbeit, die dadurch einhergeht, hinzu.
Wir sind doch ein traditionelles Berufsbild und werden oft als altbacken angesehen. Was meiner Meinung nach gar nicht der Wahrheit entspricht. Aber das steht auf einen anderen Blatt Papier und da will ich heute gar nicht drauf eingehen.
Nun, jetzt leite ich den Artikel mit so vielen negativen Argumenten ein.
Warum tätige ich dann die Aussage, dass der Beruf der/des Notarfachangestellte/n beziehungsweise des/der Notarfachwirt/in einer der schönsten Berufe der Welt ist?
Im Schamanismus sagt man: wenn uns immer wieder ein Vogel begegnet, sollten wir uns mal Situationen aus der Vogelperspektive anschauen. Heute möchte ich für Sie mal der Vogel sein und meine ganz persönliche Perspektive auf unser Berufsbild zeigen.
Dafür müssen wir uns das Berufsbild mal nicht aus der Perspektive der/des Notarfachangestellten beziehungsweise der Notarfachwirte ansehen, sondern einmal aus der Perspektive unserer Mandanten.
Wir sehen unseren Beruf, unseren Arbeitsalltag meist nur von unserer Seite aus. Wie viele Urkunden wir noch in das Urkundenverzeichnis einzutragen haben, wie viele Kaufverträge noch abgewickelt werden müssen, wie viele Kostenrechnungen noch geschrieben werden müssen, dann kommt der Chef/die Chefin auch schon wieder mit einer eiligen Sache herein und das Telefon will einfach nicht stillstehen.
Ja, wir haben einen Beruf, in dem es oft sehr stressig zugeht und wir am Ende des Tages oft frustriert aus der Kanzlei gehen und das Gefühl haben, nichts so richtig etwas geschafft zu haben.
Doch haben Sie sich mal gefragt, was Sie als Notarfachangestellte/r bzw. Notarfachwirt/in bewirken?
Wie bewirken? Was soll ich schon bewirken? Ich entwerfe und wickle Urkunden ab. Was soll man damit denn bewirken?
Ich arbeite in einem Büro! Was für außerordentliche Leistungen erbringe ist denn schon? Ich bin doch keine Krankschwester/kein Krankenpfleger oder gar Feuerwehrfrau oder Feuerwehrmann. Was bewirke ich in dieser Welt denn schon großartig? Ich arbeite meine Akten ab und das war es.
Ist dem tatsächlich so? Arbeiten wir nur Akten ab?
Ich persönlich sehe das anders. Wir alle bewirken jeden Tag einiges. Ja, vielleicht pflegen wir nicht kranke Menschen oder retten Menschen aus brennenden Häusern. Doch jeden Tag stehen wir auf und gehen zur Arbeit und helfen unseren Mandanten.
Wollen wir doch mal ein paar Fälle durchgehen, die wir täglich auf dem Schreibtisch liegen haben.
Einmal vorweg: wir Notarfachangestellten/Notarfachwirte sind in unserer Arbeit sehr frei, wir arbeiten meist sehr selbstständig. Und die Kommunikation mit den Mandanten und was sich die Mandanten mit unserer Unterstützung ermöglichen können, ist für mich persönlich das Schönste überhaupt.
Was bewirken wir mit einem Grundstückskaufvertrag?
Ich möchte es Ihnen am Beispiel des „stinknormalen“ Grundstückskaufvertrages einmal verdeutlichen:
Ein junges Paar, Anfang 30, kommt in die Kanzlei. Beide wollen ein Haus kaufen und erzählen aufgeregt davon, dass sie das schönste Haus auf Erden gesehen haben. Der Makler und die Bankmitarbeiter waren auch alle so nett, doch drängeln diese etwas. „Laut unserem Bankberater brauchen wir schnell einen Entwurf, denn die Zinsen können wieder schnell steigen. Das wollen wir gern vermeiden“, sagt der Mann, „können Sie uns das schnell machen?“ Wir, Mitarbeitenden im Notariat, merken schnell, dass das junge Paar schon etwas überfordert ist. Bei uns im Oberstübchen fängt es schon an zu rattern und wir denken:
- Sie kaufen kein Haus, sondern das Grundstück mit aufstehendem Haus.
- Wie ist denn die Grundbuchbezeichnung? Ich muss ja erst einmal einen Grundbuchauszug online besorgen. Was für Rechte sind da dann wohl eingetragen?
- Wir brauchen die Personalien des Verkäufers und von Ihnen.
- Die steuerliche Identifikationsnummern benötigen wir auch, und nein, ich meine nicht ihre Steuernummer.
- Sind Sie miteinander verheiratet?
- Ist der Verkäufer verheiratet?
- Ist der Verkäufer tatsächlich Alleineigentümer?
- Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
- Wie hoch ist der Kaufpreis?
- Steht das Haus leer?
- Wird Inventar mitverkauft? Welchen Wert hat das Inventar, das mitübernommen wird?
- Ist das Haus evtl. noch vermietet? Wenn ja, wurde das Mietverhältnis bereits gekündigt oder wird es übernommen?
- Wann soll denn die Besitzübergabe/Kaufpreiszahlung sein?
Und so weiter und so fort…
Wir sind oft direkt im Arbeitsmodus und wenn wir mal ganz ehrlich sind, auch etwas genervt, weil wir uns fragen, wann wir diesen Vertragsentwurf denn auch noch irgendwo dazwischenschieben können. Dann muss man noch so vielen Informationen hinterherrennen, nachfragen, erklären etc. Und es kommen immer mehr Fragen auf.
Perspektivwechsel
Und genau hier, genau an diesem Punkt, darf man sich einmal Folgendes vor Augen führen:
Dieses junge Paar kauft in IHRER Realität nicht das Grundstück mit dem aufstehenden Haus. Nein, das junge Paar kauft ihr neues Zuhause. Die Frau wird wohl schon gedanklich jedes einzelne Zimmer einrichten. In diesem Haus werden in Zukunft vielleicht einmal kleine Füße tippeln. Das junge Paar sieht sich gemeinsam in der Küche kochen, im Garten ausruhen, vielleicht ein Gemüsegarten anlegen und die ersten Karotten ernten. Sie sehen gemütliche Abende mit Freunden und noch so viel mehr. Dieses junge Paar kauft ein neues Zuhause, was voller Liebe sein wird. Sie sehen den Kaufpreis, haben Gespräche mit der Bank und sie haben bestimmt ganz schön Angst, so viel Geld aufzunehmen. Denn dieses junge Paar weiß genau, dass sie für dieses Haus ganz schön viel arbeiten müssen und ganz schön viele Jahre ein Darlehen abzahlen werden. Doch sie wollen sich ihren Traum vom eigenen Zuhause verwirklichen.
Und wir, die Notarfachangestellten/Notarfachwirte, unterstützen täglich solche Paare, damit sie ihren Traum verwirklichen können. Wir holen alle Informationen ein, wir klären die Mandanten auf. Warum ist die Auflassungsvormerkung so wichtig? Wie die Stadt/Gemeinde hat ein gesetzliches Vorkaufsrecht? Und und und. Wir stehen dafür ein, dass die Abwicklung dieses Kaufvertrages reibungslos abläuft, informieren, wenn die erforderlichen Genehmigungen angekommen sind, stellen den Kaufpreis fällig und zu 80 Prozent telefonieren wir mit den Käufern und erklären, wie denn jetzt genau der Kaufpreis gezahlt werden muss – dass erst einmal die Grundschuld des Verkäufers abgelöst werden muss und der Rest dann an den Verkäufer überwiesen wird. Wir stellen den Eintragungsantrag auf Eigentumswechsel und wir informieren die Mandanten, wenn der Eigentumswechsel erfolgt ist und die Käufer dann wissen, jetzt ist es wirklich unser Haus.
Das Testament – nur eine schnelle Urkunde?
Auch gerade ein Testament ist für den Mandanten sehr emotional. Für uns ist es auch wieder eine Urkunde, die wir abfrühstücken wollen. Und wir fragen alle wichtigen Informationen ab. Meistens sind wir genervt, weil wir lange hinter den Geburtsregisternummern herrennen. Und das Siegeln eines Testamentsumschlages ist jetzt auch nicht gerade die modernste Technik (wenn auch effektiv).
Doch haben Sie sich einmal bewusst gemacht, dass bei der Errichtung eines Testamentes sich der Mandant mit seinem Tod auseinandersetzt?
Er möchte wissen, dass sein Vermögen gesichert ist. Der Mandant möchte sicher sein, dass diejenigen, die er zu seinen Erben einsetzt, auch wirklich das erhalten, was er ihnen zukommen lassen will. Wir sind immer sehr schnell im Abarbeiten und oft genervt, wenn die Mandanten immer wieder anrufen und immer wieder Fragen stellen. Doch die Mandanten haben nicht unser Wissen.
Viele denken zum Beispiel, dass es ganz klar ist, dass der Ehegatte doch Erbe wird. Und dabei wissen sie nicht, dass die Kinder ebenfalls nach der gesetzlichen Erbfolge erben würden. Wenn die Ehegatten dies aber nicht möchten, dann muss ein Testament her. Wenn man dann noch fragt, ob es in dieser speziellen Konstellation nicht Sinn macht, hier einen Testamentsvollstrecker zu benennen, werden wir ungläubig angesehen.
Zum Zeitpunkt als ich diesen Artikel schreibe, ist es mir persönlich noch einmal ganz bewusst geworden. Denn ich wurde von einer mir nahestehenden Person gefragt, was denn wichtig ist, wenn diese Person ein handschriftliches Testament errichten möchte. Denn diese Person hat in einer Woche eine risikoreiche Operation vor sich und setzt sich gerade mit ihrer Krankheit und ihrem Tod auseinander. Diese Situation ist natürlich hoch emotional und zum Glück haben wir solche Fälle nicht täglich in der Kanzlei. Dennoch dürfen wir uns bewusst machen, dass auch wenn keine risikoreiche Operation ansteht, sich der/die Testierende gerade mit seinem/ihren Tod auseinandersetzt.
Wir sind immer so professionell, was auch richtig ist. Aber wir dürfen hier auch emphatisch bleiben. Und wir dürfen uns hier bewusst machen, dass wir mit dem Entwurf eines Testamentes und seiner Abwicklung unseren Mandanten helfen, das von ihnen Gewollte in eine rechtssichere Urkunde zu verwandeln.
Mal eben eine Vorsorgevollmacht nebst Betreuungs- und Patientenverfügung machen!
Die Vorsorgevollmacht nebst Betreuungs- und Patientenverfügung ist auch so ein Fall. Ganz oft kommen die Mandanten und wollen „das Formular“ mal eben schnell ausfüllen. Ich habe sehr oft das Gefühl, dass die Vorsorgevollmacht nebst Betreuungs- und Patientenverfügung von vielen gewollt ist, weil das ja alle so machen. Weil man möchte, dass der Ehegatte/die Kinder handeln dürfen im Fall der Fälle.
Doch auch hier erstellten wir eine Urkunde, in der der Mandant festlegt, was passieren soll, wenn er eine schwere Krankheit hat oder einen Unfall hatte. Darf über den Aufenthalt des Mandanten bestimmt werden? Sollen die Bevollmächtigten entscheiden dürfen, welche Behandlungen durchgeführt werden sollen und welche nicht? Zu welchem Zeitpunkt sollen die Geräte abgeschaltet werden? Sollen Organe beim Gehirntod gespendet werden? Wenn ja, sollen evtl. einzelne Organe nicht gespendet werden? Und so weiter und so fort. Haben Sie sich hier einmal bewusst gemacht, dass der Mandant in dieser Urkunde entscheidet, wer über sein Leben bestimmen darf?
Und wir Notarfachgestellten/Notarfachwirte dürfen den Menschen dabei helfen, ihre Wünsche in einer Urkunde niederzulegen. Wir dürfen sensibilisieren, gut zureden. Und den Menschen auch eine gewisse Sicherheit geben. Denn mit einem Testament und/oder einer Vorsorgevollmacht nebst Betreuungs- und Patientenverfügung regeln die Menschen sehr wichtige Angelegenheiten.
Die GmbH-Gründung – Das machen wir doch ganz fix, mal eben!
Ja, es gibt die Mandanten, die beruflich viele Unternehmen gründen. Es gibt aber auch zum Beispiel den jungen Mann. Er ist Dachdecker und hat gerade seinen Meister bestanden und wagt jetzt den Schritt in die Selbstständigkeit. Dieser junge Mann möchte sein eigenes Unternehmen gründen und kommt zu uns. Meist sind GmbH-Gründungen eilig, denn die Steuerberater machen uns dann auch gern einmal Druck. Doch auch hier dürfen wir uns sensibilisieren. Dieser junge Mann gründet gerade seine Existenz. Er will Arbeitsplätze schaffen und ist somit auch für Existenzen seiner Mitarbeitenden mitverantwortlich. Und eine GmbH-Gründung birgt auch Risiken, gerade wenn vor der Gründung schon Geschäfte eingegangen werden. Die Belehrung des Geschäftsführers in der Handelsregisteranmeldung ist für die meisten der Mandanten unverständlich und bedarf oft der näheren Erläuterung. Die auch sehr wichtig ist.
Somit ist auch die GmbH-Gründung, wenn sie jetzt nicht gerade von großen Konzernen kommt, die noch weitere Tochtergesellschaften gründen möchte, für den Mandanten emotional. Er möchte umgehen, dass er mit seinem gesamten privaten Vermögen haftbar gemacht werden kann und seine Selbstständigkeit direkt richtig anfangen. Er möchte sich beruflich verwirklichen, hat aber auf der anderen Seite auch Angst, ob das Geschäft gut laufen wird. Und auch hierbei wirken wir Mitarbeitenden im Notarbüro mit. Wir wirken mit, dass ein Dachdeckermeister seine Gesellschaft gründen kann. Wir wirken mit, dass der Dachdeckermeister Arbeitsplätze schaffen kann. Und natürlich wirken wir mit, dass ein Dachdeckermeister ein Unternehmen gründen kann, um dann vielen Menschen zu helfen, ein neues Dach zu bauen, bzw. ein Dach instand zu halten.
Und es gibt noch so viele weitere Fälle. Jede Urkunde, die auf unserem Tisch liegt, ist für unsere Mandanten emotional. Ein Erbscheinsantrag, eine Erbausschlagung, eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, ein Ehevertrag. Auch das sind Urkunden, die Auswirkungen auf das echte und tatsächliche Leben unserer Mandanten haben. Wir helfen mit, dass die Auswirkungen, soweit wie möglich, positiv für unsere Mandanten sind.
Ein paar Impulse zum Schluss
Und, sind Sie jetzt immer noch der Meinung, dass wir nichts bewirken? Sind Sie immer noch der Meinung, dass wir nur unsere Akten auf dem Schreibtisch abarbeiten?
Ich bin der Meinung, dass wir täglich doch einiges für unsere Mandanten bewirken und ermöglichen.
Der Gang zum Notar/zur Notarin ist immer Vertrauenssache. Er ist immer mit Emotionen bei den Mandanten verbunden. Und wenn wir alle im Notarbüro unsere Arbeit gut machen, kommen diese Mandanten immer wieder. Denn viele Mandanten denken: „Diesem Notar/dieser Notarin mit seinen/ihren Mitarbeitenden kann ich vertrauen und sie kennen mich und meine Familie ja auch schon.“ In den meisten Fällen kommen die Mandanten ja immer wieder ins Notarbüro.
Somit ist für unsere Mandanten ihre Sache immer emotional und mit Vertrauen zum Notar/zur Notarin verbunden.
Und jetzt mal Hand aufs Herz
Haben Sie Ihren Beruf mal aus dieser Perspektive heraus betrachtet? Und ist es nicht einfach schön, dass wir mit unserem Beruf anderen helfen? Dass wir mit unserem Beruf etwas bewirken, auch wenn es „nur“ im juristischen und bürokratischen Feld ist?
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Artikel einen kleinen Denkanstoß geben und dass Sie zwischendurch einmal die Perspektive wechseln. Denn dann macht unser Beruf doch wieder um einiges mehr Spaß.