Effizientere Prozesse im Notariat: Anderkonten digital führen

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Deutschland muss digitaler werden, um im internationalen Vergleich nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Noch immer jedoch lassen Wirtschaft und öffentliche Verwaltung große Chancen ungenutzt. Leider gilt das auch für viele Notarkanzleien. Wie Notaren die Digitalisierung gelingen kann, zeigt das Beispiel einer KI-basierten Lösung für Bankingprozesse. Sie ermöglicht die effiziente und zugleich rechtssichere Führung von Anderkonten.

Im IDM World Digital Competitiveness Ranking von 2024 landete Deutschland nur im Mittelfeld – auf Rang 24 von 67, Tendenz absteigend. Es hapert unter anderem an der Fähigkeit zu systemübergreifenden Umstellungen. Intelligente Schnittstellen sind jedoch eine wichtige Voraussetzung für die gelungene Prozessdigitalisierung. Als Brücken ermöglichen sie erst den automatisierten Austausch von Informationen zwischen einer Vielzahl von Tools und Softwares. Die Herausforderung ist, eine medienbruchfreie Zusammenarbeit der Systeme zu schaffen.

„Data Hub“ Notar

Notarkanzleien können erheblich von Digitalisierung profitieren – insbesondere auch bei Bankingprozessen und Anderkonten. Rund um Unternehmensgründungen und Immobilienverkäufe entstehen große Datenmengen. Typischerweise enthält die Notariatssoftware umfangreiche, strukturierte Datensätze, die mit Handelsregistern, Finanzbehörden und Banken ausgetauscht werden müssen. Allerdings erfolgen viele Schritte beim Zahlungsverkehr weiterhin analog. Kontoeröffnungen per Fax, doppelte Datenerfassung, unklare Zuständigkeiten bei Rückfragen: Die Prozesse sind häufig träge, fehleranfällig und schwer nachvollziehbar. Schon eine Kontoeröffnung dauert oft mehrere Wochen und verursacht hohen Verwaltungsaufwand. Dazu kommen Haftungsrisiken bei falscher Abwicklung. Leidtragende sind nicht nur die Kanzleien, sondern auch ihre Mandanten. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf. Verlangt ist eine effiziente Lösung, die Zeit und Kosten spart und zudem die Zugänglichkeit notarieller Dienstleistungen erleichtert.

Medienbruchfreiheit als Schlüssel

Die Bundesnotarkammer hat in ihrem Strategieprojekt „Notariat 2030“ skizziert, wie das Notariat im Jahr 2030 aufgestellt sein sollte, um den wachsenden Herausforderungen des Berufsstandes zu begegnen. Der Fokus des Projekts lag auf den praktischen Bedürfnissen im Notarbüro. Mit Unterstützung der Boston Consulting Group wurden Painpoints wie Medienbrüche, Schnittstellenlücken und ineffiziente Prozesse sowie mögliche Szenarien und Digitalisierungslösungen identifiziert. Die Empfehlung der Bundesnotarkammer lautet daher unter anderem: Fokussierung auf strategische Digitalisierung und Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung bestimmter Prozesse.

KanzleiBanking ist das erste spezialisierte Online-Banking für Notare und Anwälte in Deutschland. Die Plattform hat als einziger Anbieter die Anderkontoführung vollständig digitalisiert – und dies auf Basis der Vorgaben der Bundesnotarkammer (Rundschreiben der BNotK Nr. 9/2022 sowie BerukG, DONot, NotAktVV, BNotO). Als kontoführende Bank für das kostenlose Anderkonto fungiert die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG (VVRB). Die Einlagen sind somit zu jederzeit vollständig durch die VVRB bzw. den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) geschützt. Die elektronische Führung von Notaranderkonten beeinträchtigt auch nicht die Deckung aus den Vertrauensschadenversicherungen der Notarkammern/-kassen bzw. des Notarversicherungsfonds.

Von der Mandatsannahme und Entscheidung zur Führung eines Notaranderkontos über die Kontoeröffnung, die Benachrichtigungen über Geldeingang und Auszahlung bis hin zur Abrechnung und Dokumentation sind sämtliche Prozessschritte digitalisiert. Auch die Eintragung der Transaktion in das Verwahrungsverzeichnis erfolgt über eine Schnittstelle mit der XNP-Anwendung der Bundesnotarkammer. Der KI-Import aller relevanten Notariatsdaten (VVZ, UVZ, Exporte aus Kanzleisoftware) gelingt dabei ohne Medienbruch. Der komplett automatisierte Datentransfer macht somit fehlerträchtige und arbeitsintensive manuelle Eingaben überflüssig.

Die Möglichkeit, ein Anderkonto noch kurz vor der Beurkundung zu eröffnen und umgehend die IBAN zu erhalten, verschafft Mandanten und Notariatsmitarbeitern Flexibilität und Planungssicherheit. Der Geldfluss ist jederzeit transparent nachvollziehbar, digitale Nachweise sind auf Knopfdruck verfügbar, vertrauliche Informationen bleiben geschützt. Und Rückfragen lassen sich gezielt beantworten – denn alle Daten liegen strukturiert und sicher vor.

Das Kieler Notariat Vesthaus, spezialisiert auf Grundstückskäufe und M&A-Transaktionen, hat das Online-Banking eingeführt und macht auch von der digitalen Anderkontoführung Gebrauch. Sie orientiert sich konsequent an den Anforderungen des Berufsrechts und bietet spürbare Vorteile für Mandanten und Mitarbeiter, nämlich Zeitgewinn, Informationsklarheit und Verlässlichkeit. „Unsere Mandanten erwarten Geschwindigkeit, Transparenz und Sorgfalt – ohne Abstriche. Um das gewährleisten zu können, muss ich meinen Mitarbeitern die richtigen Instrumente geben“, sagt Dr. Felix-Tessen von Gerlach, Notar und Partner der Kanzlei. Im Notariat Vesthaus stehen juristische Dokumente wie Abrechnungsschreiben oder Transaktionsbestätigungen fallbezogen direkt im Konto zur Verfügung, vorausgefüllt und per Klick exportierbar. Das spart Zeit und vermeidet Fehler.

Digitalisierungspotenzial ausreizen

Das spezialisierte Online-Banking für Notare hat das Potenzial, in Zukunft noch weitere Abläufe in Kanzleien zu automatisieren. Ein geeigneter Anwendungsfall für die Web-Applikation wären zum Beispiel die Prozesse rund um die Gründungskonten von GmbHs. Die EU-Digitalisierungs-Richtlinie verlangt den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren, um die Gründung von Gesellschaften zu vereinfachen. Konkret gibt es Pläne, dass die Eröffnung des Geschäftskontos mit dem Stammkapital in maximal drei Tagen geschehen soll. Durch den Einsatz des Online-Bankings wäre es denkbar, solche GmbH-Gründerkonten bereits während der Beurkundung direkt aus dem Datensatz des Notariats zu eröffnen – eine enorme Beschleunigung der Gründung von Unternehmen!

Ähnliches gilt für den Bereich Buchhaltung und Steuerangelegenheiten von Notariaten. Hier könnte die Technologie eine intelligente, vorbereitende Prozessabwicklung ermöglichen und die Kontodaten automatisiert für Buchführung und Steuerabrechnung nutzbar machen.

Ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung in Deutschland

Das Notariat fungiert als Dreh- und Angelpunkt wesentlicher Geschäftsfälle und als zentraler Datenerzeuger. Damit ist es geradezu prädestiniert für eine zukünftige Funktion als „One-Stop-Shop“ mit der Möglichkeit, alle notwendigen bürokratischen Prozessschritte an einer einzigen Stelle durchzuführen.

Ein hochspezialisiertes Online-Banking für Notare kann einen signifikanten Beitrag zur Digitalisierung in Deutschland leisten. Durch intelligente Schnittstellen lassen sich Daten direkt in Bankprozesse integrieren – ein Schlüssel für Effizienz und Digitalisierung. Unternehmensgründungen und Immobilientransaktionen werden beschleunigt und zugleich verbessern standardisierte Prozesse die Rechtssicherheit. So entfalten einige Tausend Notare eine vergleichsweise große Wirkmacht zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts.