Aus Anlass der Vollendung seines 65. Lebensjahres hat der Deutsche Notarverein den Jubilar mit einer Festschrift geehrt, die seiner Persönlichkeit, seinem Wirken und seinen Verdiensten in gebührendem Maße Rechnung trägt. Schon im Geleitwort und im Vorwort kommt zum Ausdruck, dass sich die Interessen von Oliver Vossius nicht ausschließlich auf das materielle Notarrecht, die Berufspolitik und die wissenschaftliche Aufarbeitung vor allem des Gesellschaftsrechts beschränken. Ausgehend von seinen profunden rechtshistorischen Kenntnissen kann er im wahrsten Sinne des Wortes als Universalgelehrter bezeichnet werden.
Entsprechend vielseitig über die vorgenannten Rechtsgebiete und berufspolitischen Themen ist die Festschrift von vielen seiner Weggefährten konzipiert und ein wahres Fundstück für diejenigen, die die Interessen von Vossius teilen.
Gleich zu Beginn beleuchten Walter Bayer/Julia Bayer anhand des Berliner „Häuserklau“-Falls den gutgläubigen Erwerb eines „gestohlenen Grundstücks“. Während Edmund Gresser das Spannungsfeld des französischen Noterbrechts zur Erbrechtsverordnung beleuchtet, stellt Stefan Hügel die bisherigen Erkenntnisse der Rechtsprechung zu einer Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 WEG auf den Prüfstand. Von besonderer Bedeutung für die Praxis sind die Überlegungen von Johannes Weber zur Beurkundungspflicht von Anlagen in Unternehmenskaufverträgen. Inwieweit sich die Beurkundungspflicht auch auf verbundene Verträge erstreckt, ist angesichts der BGH-Rechtsprechung hochproblematisch und folgenschwer, wenn eine falsche Einschätzung hinsichtlich der notwendigen Verlesung von Anlagen zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt. Die von Weber vorgenommene Abgrenzung ist dabei sehr hilfreich.
Zu den berufsrechtlichen Themen stellen Jens Bormann/David Siegel in „Zehn Jahre Zentrales Testamentsregister“ den Erfolg dieser Einrichtung dar. Mit dem notariellen Gebührenrecht befassen sich Leif Böttcher/Christian Waldhoff, während Nicola Preuss die Online-Beurkundung nach dem DiRUG und dem DiREG behandelt sowie die interessante Frage nach der Tatsachenbeurkundung über eine virtuelle Beschlussfassung. Joachim Püls schildert die Entwicklung des Datenbankgrundbuchs von seinen Anfängen bis heute. Demjenigen, der sich für Legal Design, Strategien der Gesetzgebung und das Selbstverständnis eines Ministerialbeamten interessiert, empfehle ich die amüsanten „Pensées juridiques“ von Ulrich Seibert.
Für Vossius als Kommentator des Umwandlungsrechts sind die Ausführungen von Mathias Habersack/Christoph Wenzel von Interesse, die sich mit den umwandlungsrechtlichen Barzahlungsschranken bei der Verschmelzung befassen und zu einer nach Rechtsformen differenzierten Lösung führen. Zu weitreichendem Kommentierungsbedarf wird auch der Regierungsentwurf zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie führen, wie es Peter Limmer angesichts der Verzichtserklärungen darstellt. Dieter Mayer erklärt uns die Fallstricke bei der Ausübung der Option zur Körperschaftsteuer und die steuerlichen Parallelen zu einem Formwechsel.
Seine historischen Neigungen hat Vossius in dem sehr lesenswerten Beitrag „Auf den Spuren des Bösen“ unter Beweis gestellt, wo er am Beispiel des Verkaufs der Immobilie Theatinerstr. 52 in München
von einer jüdischen Familie an eine Fabrikantenehegattin detailreich veranschaulicht, wie die Immobilie im Nationalsozialismus in „arische Hände“ gelangt. Dazu passend finden wir in der Festschrift auch die rechtshistorische Untersuchung von Andreas Roth über das Notariat im Rheinland und in Westfalen während des Nationalsozialismus, die eine Mitverantwortung der Notare durch ein Funktionieren im Rahmen unmenschlicher Gesetze feststellt. Entsetzen lösen hingegen die Ausführungen von Harald Wilsch über die antisemitische Erbrechtsrechtsprechung im „Dritten Reich“ aus; hier wird das grauenvolle Unrecht richterlicher Rechtsfortbildung geschildert, die ihr Ende erst mit der Vernichtung der Juden in Deutschland gefunden hat.
Einen Rückblick auf die Anfangsjahre der Privatrechtswissenschaft gibt Hans-Peter Haferkamp unter dem Titel „Die deutschen juristischen Rezensionszeitschriften des Vormärz“. Voller Neugier und mit großem Interesse habe ich den Beitrag von Mathias Schmoeckel „Die Totenfürsorge praeter legem“ über seine Forschung zum Tod als juristisches Problem gelesen. Ein rechtshistorischer Leckerbissen zum Formzwang ist auch die Darstellung von Jan Thiessen „Der Edelmann als Bürger oder: Adel verpflichtet zu gar nichts“.
Ich hoffe, mit diesen Einblicken auch Ihre Neugier auf diese gelungene Festschrift geweckt zu haben.
Notar Dr. Christoph Neuhaus, Köln