Ein Kommentar zur Bundesnotarordnung sollte einiges bieten, denn: Die Bundesnotarordnung, die in ihrer Grundfassung seit dem 24.1.1961 besteht, stellt die Verfassung des deutschen Notariats dar, weshalb ihre Bestimmungen jeder Amtsträgerin/jedem Amtsträger bekannt sein sollten. Die Erwartungen der Rechtswissenschaft und Rechtspraxis sind entsprechend hoch; ein Kommentar zur Bundesnotarordnung
sollte daher stets aktuell und umfassend sein sowie jedem Rechtsanwender rechtssichere und auch praxisnahe Erläuterungen bieten.
Die Bundesnotarordnung ist wie kaum ein anderes Rechtsgebiet des notariellen Bereichs so häufig unter das Skalpell des deutschen Gesetzgebers geraten. Zu den
gesetzlichen Neuerungen können etwa unter anderem genannt werden:
- das Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 1.6.2017 (BGBl I 2017, 1396),
- das Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl I 2021, 2154),
- das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vom 5.7.2021 (DiRUG) (BGBl I 2021, 3338) und
- das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 15.7.2022 (BGBl I 2022, 1146).
Sowohl Rechtswissenschaftler als auch Rechtspraktiker müssen sich in diesem Dschungel der gesetzlichen Neuerungen der letzten Jahre zurechtfinden, die einen Paradigmenwechsel des notariellen Berufsrechts herbeigeführt haben. Das Notariat wird endgültig digital.
Das vorliegende Werk befindet sich auf dem aktuellen Rechtsstand 2023 und behandelt eben die vorgenannten gesetzlichen Neuerungen, wobei auch die Änderungen durch das DiREG, die teilweise erst zum 1.8.2023 in Kraft getreten sind, berücksichtigt wurden. So befasst sich beispielsweise David Saive mit den §§ 33, 34 BNotO, die durch das Gesetz vom 1.6.2017 (BGBl I 2017, 1396) eingeführt worden sind. Im Rahmen der Kommentierung zu § 33 BNotO geht Saive auf die elektronische Signatur, insbesondere auf deren Erscheinungsformen („einfache“, fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Signatur) ein. Letztere, also die qualifizierte elektronische Signatur, stellt für den Gesetzgeber das Mittel der Wahl für die notarielle Praxis dar, um im elektronischen Rechtsverkehr Anträge und Dokumente nach den hohen Sicherheitsstandards der eIDAS-VO zu übermitteln. Die qualifizierte elektronische Signatur
bildet daher nach den Worten von Saive den „Grundstein des elektronischen Notariats“ (§ 33 Rn 11).
Sämtliche Paragrafen der Bundesnotarordnung werden im vorliegenden Werk ausführlich beleuchtet. Der Kommentar geht vereinzelt auch über die Erläuterung der einzelnen Paragrafen hinaus. So wird etwa sehr anschaulich die bisher ergangene Haftungsrechtsprechung der Obergerichte bzw. des Bundesgerichtshofs auf ca. 30 Seiten von Schönenberg-Wessel bei der Kommentierung zu § 19 BNotO tabellarisch dargestellt (§ 19 Rn 46 ff.), womit der Praxis ein guter Überblick bereitgestellt wird.
Auch wird sowohl die bisher ergangene einschlägige Rechtsprechung wie auch die bisher erschienene juristische Literatur zum jeweiligen Paragrafen dargestellt und erläutert, wobei auch die unterschiedlichen
Ansichten der juristischen Literatur skizziert und – mitunter auch kritisch – beleuchtet werden. So geht etwa Patrick Meier im Rahmen seiner Kommentierung zu § 15 BNotO auf die Frage ein, ob der Notar zur Prüfung der von ihm veranlassten Eintragung in einem öffentlichen Register verpflichtet ist (§ 15 Rn 15). Abgesehen von den Fällen, in denen der Notar freiwillig diese Vollzugsverpflichtung übernimmt, herrscht hierüber Uneinigkeit in der juristischen Literatur. Meier setzt sich mit den unterschiedlichen Ansichten der juristischen Literatur auseinander und stellt insbesondere die h. M. vor, wonach die Prüfungspflicht des Notars maßgeblich von dessen Boteneigenschaft oder davon abhänge, ob er den Antrag auch im eigenen Namen einreicht. Denn nur der im eigenen Namen einreichende Notar werde nach der h. M. von der beantragten Eintragung benachrichtigt, womit er in die Lage versetzt wird, die Eintragung auch auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dass dieser Ansicht mit der Einführung des § 55GBO – zumindest im Grundbuchverfahrensrecht – ein wesentlicher Begründungsansatz entzogen wurde, führt Meier zu der Erkenntnis, dass die Frage der Prüfungspflicht nicht von der Boteneigenschaft oder von der Antragstellung im eigenen Namen abhängen kann, sondern maßgeblich ist, wie sich der Notar gegenüber den Beteiligten verpflichtet hat. Denn „ob der Notar im Nachgang den Antrag lediglich als Bote oder im eigenen Namen stellt, bleibt für die Beteiligten unerkennbar. Umgekehrt kann sich der Notar, wenn er sich zu einer Einreichung im eigenen Namen verpflichtet, auch dann der Kontrollverpflichtung nicht entziehen, wenn er den Antrag tatsächlich nur als Bote einreicht“ (§ 15 Rn 15). Dieser Ansicht kann nur beigepflichtet werden.
Der Kommentar bietet einen guten Gesamtüberblick zum notariellen Berufsrecht. Mithilfe des zu jedem Paragrafen vorangestellten Inhaltsverzeichnisses und dem ausführlichen Stichwortverzeichnis ist der Benutzer in der Lage, die passende Lösung zur jeweiligen notarberufsrechtlichen Fragestellung zu finden. Mit dem vorliegenden Werk werden der Rechtspraxis zahlreiche Lösungsmöglichkeiten zu häufig aufkommenden Problemen im Kontext des notariellen Berufsrechts an die Hand gegeben. Die Herausgeber Ulf Schönenberg-Wessel, Pierre Plottek und Markus Sikora haben es geschafft, ein erfahrenes Autorenteam für das vorliegende Werk zu gewinnen, wozu unter anderem Vertreter des Notariats, der Richter-, Rechtsanwalt- und Rechtspflegerschaft zählen. Die Leserschaft profitiert hierbei von der Expertise und Erfahrung der Autoren, sodass jedem Rechtswissenschaftler wie auch Rechtspraktiker die Anschaffung dieses Kommentars wärmstens empfohlen werden kann.
Notarassessor Alkan Atak, LL.M. Eur. (Univ. Würzburg), Europajurist (Univ. Würzburg), Bad Waldsee