Verbot von Insidergeschäften

a) Insiderhandelsverbot

Nach Art. 14 MMVO sind Insidergeschäfte verboten, d.h. das Tätigen von Insidergeschäften und der Versuch hierzu (lit. a), Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte dazu zu verleiten, Insidergeschäfte zu tätigen (lit. b) und die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (lit. c).

Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 MMVO liegt ein Insidergeschäft vor, wenn eine Person, die über Insiderinformationen verfügt und unter Nutzung (Zum Nutzungsbegriff s. Bühren, NZG 2017, 1172, 1174 ff.) dieser Information Finanzinstrumente, auf die sich diese Insiderinformation bezieht, für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt erwirbt oder veräußert. Mittels der Einbeziehung von indirekten Erwerbs- bzw. Veräußerungsvorgängen erfolgt eine erweiterte Art der Zurechnung.

Die Einschaltung von Mittelsmännern, z.B. in Form von Treuhändern eines Familien-Trusts oder eines Vermögensverwalters ist ebenso wie jede Form der Veranlassung oder Einflussnahme auf Dritte, von denen der Insider profitiert, erfasst (Gebauer/Teichmann/Zetzsche, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 14 Rn 137). Erwerb und Veräußerung beziehen sich dabei auf das schuldrechtliche Geschäft.

Ausgenommen ist ein gesetzlicher Erwerb, etwa in Form einer Erbschaft (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.1, S. 54; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Poelzig, HGB, Art. 8–14 Marktmissbrauchs-VO Rn 17).

Verboten sind neben dem Erwerb und der Veräußerung ausdrücklich gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 MMVO auch die Stornierung oder Änderung eines Auftrags, wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformation erteilt wurde.

Stornierung meint die vollständige Streichung einer Order, Änderung jede andere Modifizierung der Order (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.2, S. 54; Klöhn, MAR, Art. 8 Rn 78 f.; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 8 VO (EU) 596/2014 Rn 46 f.). Entscheidend ist, dass die jeweilige Person im Zeitpunkt der Stornierung oder Änderung des Auftrags Kenntnis von einer Insiderinformation hat (Graßl, DB 2015, 2066, 2067; Klöhn, MAR, Art. 8 Rn 83; Poelzig NZG 2016, 528, 532; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 8 VO (EU) 596/2014 Rn 53; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Nietsch, Art. 8 VO (EU) 596/2014 Rn 21).

Nach Art. 8 Abs. 2 MMVO liegt eine Empfehlung zum Tätigen von Insidergeschäften oder die Verleitung Dritter hierzu vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und entweder auf der Grundlage dieser Informationen Dritten empfiehlt, Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, zu erwerben oder zu veräußern, oder sie dazu verleitet, einen solchen Erwerb oder eine solche Veräußerung vorzunehmen, oder auf der Grundlage dieser Informationen Dritten empfiehlt, einen Auftrag, der ein Finanzinstrument betrifft, auf das sich die Insiderinformationen beziehen, zu stornieren oder zu ändern, oder sie dazu verleitet, eine solche Stornierung oder Änderung vorzunehmen.

Zum Erwerb oder zur Veräußerung verleitet, wer den Willen des anderen durch beliebige Mittel beeinflusst. Der Verbotstatbestand ist bereits erfüllt, wenn der Insider einem Dritten den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten indirekt nahelegt. Nicht erforderlich ist, dass dabei die Insiderinformation offengelegt wird (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.3., S. 61; Ellenberger/Bunte/Hopt/Kumpan, Bankrechts-Hdb, § 86 Rn 7).

Da ein Verleiten auch durch eine Empfehlung erfolgen kann, ist die Empfehlung ein spezieller Unterfall des Verleitens als Mittel der Willensbeeinflussung (Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 8 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 91). Dogmatisch handelt es sich bei der Alternative des Verleitens um einen gesetzlich besonders geregelten Fall einer mittelbaren Täterschaft.

Erforderlich ist neben der Tätigung des Geschäfts auch die Nutzung der Insiderinformation. Allerdings wird vermutet, dass derjenige, der im Besitz einer Insiderinformation ist, diese auch nutzt (Erwägungsgrund 24 MMVO; so schon Spector-Urteil des EuGH BB 2010, 329, 330. Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.1, S. 55). Der Insider kann die Vermutung jedoch nach Erwägungsgrund 25 MMVO widerlegen, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Insiderinformationen bei der Abwicklung des Geschäfts nicht genutzt wurde.

An der Verwendung einer Insiderinformation fehlt es auch dann, wenn eine Person ihren – ohne Verwendung einer Insiderinformation zustande gekommenen – Entschluss, eine bestimmte Transaktion durchzuführen, verwirklicht (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1,6 S. 59; vgl. Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 8 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 33).

Nach Auffassung der BaFin scheidet ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot bei sog. face-to-face-Geschäften aus, bei denen Verkäufer und Käufer gleichermaßen Kenntnis von den Insiderinformationen haben (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.2.3, S. 61).

Auch die Masterplan-Theorie soll weiterhin gelten, wenn der Erwerber das bereits vor Durchführung der Prüfung geplante Paket und nicht über seinen gefassten Plan hinaus zusätzliche Wertpapiere erwerbe (sog. alongside purchases) (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.2.1, S. 60; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 8 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 33; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Poelzig, HGB, Art. 8–14 Marktmissbrauchs-VO Rn 34; ausführlich Klöhn, MAR, Art. 8 Rn 175 ff.; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 8 VO (EU) 596/2014 Rn 92 und Art. 9 Rn 97 ff.).

Die Insiderverbote sind grds. sog. Jedermann-Delikte, d.h. der mögliche Täterkreis wird gesetzlich nicht begrenzt (Vgl. Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4, S. 53). Gleichwohl unterscheidet Art. 8 Abs. 4 MMVO weiterhin zwischen sog. Primär- und Sekundärinsidern. Ein Primärinsider ist nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 MMVO, wer über die Insiderinformation verfügt, weil er

  • dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate angehört;
  • am Kapital des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate beteiligt ist;
  • aufgrund der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder der Erfüllung von Aufgaben Zugang zu den betreffenden Informationen hat (Zur Kategorisierung aller Mitarbeiter einer bestimmten Abteilung nach dienstrechtlichen Insidervorschriften und zu deren Rechts- und Verfassungsmäßigkeit vgl. VG Frankfurt am Main, WM 2020, 418) oder
  • an kriminellen Handlungen beteiligt ist.

Sekundärinsider ist jede Person, die Insiderinformationen unter anderen Umständen als nach Unterabs. 1 erlangt und weiß oder wissen müsste, dass es sich dabei um Insiderinformationen handelt.

Das Verbot gilt nach Art. 8 Abs. 5 MMVO auch für alle natürlichen Personen, die an der Beschlussfassung über das Geschäft einer juristischen Person beteiligt waren oder die Beschlussfassung beeinflusst haben.

b) Ausnahme: Legitime Handlungen

In Art. 9 MMVO sind ausdrücklich Ausnahmen vom Verbot der Insidergeschäfte geregelt, sog. legitime Handlungen. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen betreffen dabei sehr unterschiedliche Situationen.

Nach Art. 9 Abs. 1 MMVO liegt kein verbotenes Insidergeschäft vor, wenn die juristische Person, die beim Erwerb oder der Veräußerung über eine Insiderinformation verfügt, zuvor angemessene und wirksame Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat, durch die sichergestellt wird, dass weder die natürliche Person, die in ihrem Auftrag den Beschluss gefasst hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich die Informationen beziehen, noch irgendeine andere natürliche Person, die diesen Beschluss in irgendeiner Weise beeinflusst haben könnte, im Besitz der Insiderinformationen gewesen ist, und die natürliche Person, die im Auftrag der juristischen Person Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erworben oder veräußert hat, nicht auffordert, ihr keine Empfehlungen gegeben, sie nicht verleitet oder anderweitig beeinflusst hat.

Mit dieser wortreichen Umschreibung sind Insider-Compliance-Maßnahmen gemeint, die durch Einführung von Informationsbarrieren (sog. Chinese Walls), Beobachtungslisten (sog. Watch Lists) sowie Sperrlisten (sog. Restricted Lists), Handelsverbote für die Personen, die trotz aller Maßnahmen von Insiderinformationen erfahren und die Einhaltung des Need-to-know-Prinzips den Informationsfluss hin zur handelnden Person verhindern (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.1, S. 56 f. auch zu weiteren Beispielen anerkannter Compliance-Maßnahmen; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 9 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 9a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Poelzig, HGB, Art. 8–14 Marktmissbrauchs-VO Rn 24; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 27 ff.; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Nietsch, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 24 ff. Ausführlich zu den einzelnen organisatorischen Maßnahmen Klöhn, MAR, Art. 9 Rn 42 ff.).

Hinweis
Die eingeführten Maßnahmen sollten regelmäßig auf ihre Wirksamkeit evaluiert und an neue Technologien angepasst werden (Klöhn, MAR, Art. 9 Rn 40; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 26 ff.; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Nietsch, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 22). Sobald Missstände auftreten, muss durch die Einführung von Kommunikationsprozessen sichergestellt sein, dass dies den zuständigen Gremien und der Geschäftsleitung mitgeteilt wird, damit diese Gegenmaßnahmen ergreifen können.

Eine Ausnahme vom Verbot der Insidergeschäfte für sog. Marktintermediäre sieht Art. 9 Abs. 2 MMVO vor. Market Maker (Market Maker ist eine nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 30 MMVO i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 der Richtlinie 2014/65/EU definierte Person, die auf kontinuierlicher Basis ihre Bereitschaft zum Handel unter Einsatz eigenen Kapitals, für eigene Rechnung und zu selbst gesetzten Kursen anzeigen.

Entsprechendes gilt für Personen, die zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen sind), Gegenparteien und Personen, die zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen sind, nutzen eine ihnen bekannte Insiderinformation nicht, wenn das Geschäft im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion bzw. Beschäftigung erfolgt (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.2 und Ziff. I.4.2.5.2.1.3, S. 57 f.; Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 9 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Poelzig, HGB, Art. 8–14 Marktmissbrauchs-VO Rn 25; Ellenberger/Bunte/Hopt/Kumpan, Bankrechts-Hdb, § 86 Rn 82; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Nietsch, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 36).

Die privilegierten Personen können aufgrund ihrer Funktion häufig allein aus den eingehenden Orders auf eine Insiderinformation schließen. Entsprechendes gilt für eine Swap-Gegenpartei, die einen verdeckten Beteiligungsaufbau entweder aus der Bündelung von Derivatabschlüssen oder aus der eigenen Beratung des Dritten erkennt (Gebauer/Teichmann/Zetzsche, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 14 Rn 151).

Hintergrund für die Ausnahme ist, dass diese Personen eine gewünschte Funktion für den Kapitalmarkt ausüben (So Erwägungsgrund 29 MMVO zu den Market-Makern, deren legitime Eigenschaft als Bereitsteller von Marktliquidität hervorgehoben wird; Klöhn, MAR, Art. 9 Rn 76). Allerdings erstreckt sich dieser Schutz nach Erwägungsgrund 30 MMVO nicht auf Tätigkeiten, die gem. der MMVO anderweitig eindeutig verboten sind, wie etwa die als „Frontrunning“ bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen) (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.2, S. 57).

Nach Art. 9 Abs. 3 MMVO besteht eine Ausnahme auch für den Fall, dass das fragliche Geschäft in gutem Glauben zur Erfüllung einer fälligen Verbindlichkeit getätigt wurde (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.4, S. 58).

Voraussetzung ist jedoch, dass die Verbindlichkeit vor dem Erhalt der Insiderinformation begründet worden oder entstanden ist (Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 9 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 16; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Poelzig, HGB, Art. 9 Marktmissbrauchs-VO Rn 30; Klöhn, MAR, Art. 8 Rn 82; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 54). Wären diese Geschäfte nicht vom Verbot ausgenommen, hätten die Stornierung oder bloße Nichterfüllung Signalwirkung hinsichtlich der Existenz einer Insiderinformation.

Im Rahmen von Übernahmen bzw. Fusionen wird nach Art. 9 Abs. 4 MMVO eine Ausnahme gewährt, wenn der Handelnde die Insiderinformation in diesem Zusammenhang erhalten hat und ausschließlich zur Umsetzung des eigenen Plans nutzt.

Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung der Fusion bzw. der Annahme des Angebots durch die Aktionäre der Zielgesellschaft sämtliche Insiderinformationen öffentlich bekannt gemacht worden sind oder anderweitig ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren haben (So auch Klöhn, MAR, Art. 9 Rn 109).

Erfasst werden hiervon etwa im Rahmen einer Due Diligence erlangte Insiderinformationen (Ellenberger/Bunte/Hopt/Kumpan, Bankrechts-Hdb, § 86 Rn 88; Schwark/Zimmer/Kumpan/Schmidt, Kapitalmarktrechts-Kommentar, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 68; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Nietsch, Art. 9 VO (EU) 596/2014 Rn 57). Allerdings gilt die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 MMVO ausdrücklich nicht für die Fälle des bloßen Beteiligungsaufbaus. Sog. alongside purchases sind nicht von der Ausnahme umfasst (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.5, S. 59).

Nach Art. 9 Abs. 5 MMVO stellt auch die Tatsache, dass eine Person ihr Wissen über den eigenen Entschluss, Finanzinstrumente zu erwerben bzw. zu veräußern, nutzt, kein verbotenes Insidergeschäft dar. Auch Erwägungsgrund 31 MMVO verweist darauf, dass Handlungen auf der Grundlage eigener Pläne und Handelsstrategien des Marktteilnehmers nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten sollten (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.1.6, S. 59).

Art. 9 Abs. 6 MMVO schränkt die Ausnahmetatbestände der legitimen Handlungen jedoch dahingehend ein, dass sich hinter den Geschäften gleichwohl kein rechtswidriger Grund verbergen darf. Gemeint sind z.B. Geschäfte, die in Manipulationsabsicht getätigt werden (Vgl. Gebauer/Teichmann/Zetzsche, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 14 Rn 156 mit verschiedenen Beispielen rechtswidriger Gründe; Poelzig NZG 2016, 528, 533).

Die BaFin erkennt diverse weitere ungeschriebene Ausnahmen vom Insiderverbot an. Liegt keine Kausalität zwischen Kenntnis von der Information und der Entscheidung vor oder hat das Insiderwissen keine Auswirkungen auf Preis oder Konditionen des Geschäfts, liegt danach kein verbotener Insiderhandel vor (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.2.5.2.2, S. 60 f.).

c) Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen

Gem. Art. 14 lit. c) MMVO ist es verboten, Insiderinformationen unrechtmäßig offenzulegen. Eine unrechtmäßige Offenlegung liegt gem. Art. 10 MMVO vor, wenn sie nicht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung, eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben geschieht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Insiderinformation innerhalb des Unternehmens oder an externe Personen weitergegeben wird (Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des EuGH v. 22.11.2005, NZG 2006, 60. Der EuGH führt dort aus, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte bei der Anwendung ihrer nationalen Bestimmungen folgende Aspekte berücksichtigen müssten: den Umstand, dass die Ausnahme vom Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen eng auszulegen sei; den Umstand, dass jede zusätzliche Weitergabe die Gefahr vergrößern könne, dass die Insiderinformation mit einem der Insiderrichtlinie aus dem Jahr 1989 zuwiderlaufenden Ziel ausgenutzt werde, sowie die Sensibilität der Insiderinformation).

Offengelegt ist eine Insiderinformation bereits dann, wenn der Empfänger in die Lage versetzt wird, sich ohne wesentliche Schwierigkeiten Kenntnis von der Insiderinformation zu verschaffen (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.4.2.4, S. 64).

Auch eine Weitergabe von Insiderinformationen an Mitarbeiter des Unternehmens (Zur Weitergabe an den Betriebsrat s. Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.4.2.2, S. 63), die diese Informationen nicht zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, stellt daher einen Insiderverstoß dar. Umgekehrt ist eine Weitergabe – auch an unternehmensexterne Berater – zulässig, wenn die Person die Information zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgabe benötigt.

Umstritten ist, ob die Person, an die die Information weitergegeben wird, zuvor eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnen muss. Teilweise wird die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bereits aus dem Umstand, dass die Person durch die Erlangung der Insiderinformation selbst zum Insider wird und damit automatisch den gesetzlichen Insiderregelungen der MMVO unterliegt, als ausreichend erachtet und das Erfordernis einer darüber hinausgehenden Verpflichtung abgelehnt (Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 10 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 22).

Nach richtiger Auffassung ist eine besondere gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung (z.B. bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern) oder eine Verschwiegenheitsverpflichtung ausdrücklich auf vertraglicher Basis (durch Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung) erforderlich (Vgl. Habersack/Mülbert/Schlitt/Frowein/Berger, Hdb der Kapitalmarktinformation, § 10, Rn 49; Zetzsche, NZG 2015, 817, 822. Vgl. zu Beispielen gesetzlicher Verschwiegenheitsverpflichtungen: Klöhn, MAR, Art. 17 Rn 484).

Keine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen liegt vor, wenn im Rahmen einer Due Diligence Prüfung Insiderinformationen weitergegeben werden, sofern dies zur Absicherung einer konkreten Erwerbsabsicht bei einem Paket- oder Kontrollerwerb erforderlich ist und im wirtschaftlichen Interesse des Emittenten liegt (Assmann/Schneider/Mülbert/Assmann, Wertpapierhandelsrecht, Art. 10 VO (EU) Nr. 596/2014 Rn 56; Ellenberger/Bunte/Hopt/Kumpan, Bankrechts-Hdb, § 86 Rn 108. Restriktiver Bachmann, ZHR 2008, 597, 625 f. (Weitergabe der Insiderinformation i.R.d. Paketerwerbs müsse aus kapitalmarktrechtlicher Sicht „unerlässlich“ sein); dagegen wiederum zu Recht Assmann, ZHR 2008, 635, 651 f.).

Hinweis
Außerdem sollte die Due Diligence Prüfung regelmäßig in einem abgestuften Verfahren erfolgen, bei dem die Anzahl der potenziellen Investoren, das Stadium der geführten Gespräche, die Sensibilität der zur Verfügung gestellten Informationen sowie die Personen, von denen diese Informationen eingesehen werden können, berücksichtigt werden (Allgemein zur Frage der Zulässigkeit der Weitergabe von Unternehmensinformationen durch die Zielgesellschaft i.R. einer Due Diligence Hensel/Dörstling, DStR 2021, 170, 176; Klöhn, MAR, Art. 10 Rn 156).

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Weitergabe sollte stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. I.4.4.2.1, S. 63; vgl. a. Klöhn, MAR, Art. 10 Rn 41).

d) Ausnahmetatbestand bei Erwerb eigener Aktien und Stabilisierungsmaßnahmen

Der Handel mit eigenen Aktien bei Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen soll nach den Vorstellungen des europäischen Gesetzgebers unter bestimmten Voraussetzungen weder vom Insiderhandelsverbot noch vom Marktmanipulationsverbot erfasst sein (Art. 5 MMVO).

Die Anforderungen an einen in jedem Fall zulässigen Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und an in jedem Fall zulässige Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten sind in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission weiter konkretisiert (ABl L 137 v. 30.6.2016, S. 34).

Um von der Ausnahme für Rückkaufprogramme Gebrauch machen zu können, sind insbesondere erhebliche Veröffentlichungs- und Dokumentationspflichten vom Emittenten zu erfüllen. So müssen vor Beginn die Einzelheiten des Rückkaufprogramms vollständig bekannt gemacht werden. Hierzu zählen Zweck, maximaler Geldbetrag, der für das Programm zur Verfügung steht, Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien und Dauer des Programms (Klöhn, MAR, Art. 5 Rn 37 f.; ausführlich BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Stüber, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rn 20 ff.). Jegliche späteren Änderungen sind ebenfalls zu veröffentlichen (Klöhn, MAR, Art. 5 Rn 39; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Stüber, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rn 27).

Neben der Erfüllung der Veröffentlichungs- und Dokumentationspflichten im Vorfeld sind auch die gesetzlich vorgesehenen Handelsbedingungen gem. Art. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 einzuhalten.

Hinweis
Der Safe Harbour steht bei Aktienrückkäufen von vornherein nur dann zur Verfügung, wenn diese ausschließlich zu dem Zweck erfolgen, das Kapital des Emittenten herabzusetzen, Rechte aus Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen zu bedienen oder Ansprüche aus Belegschaftsaktienprogrammen des Emittenten zu erfüllen (Art. 5 Abs. 2 MMVO) (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. IV.1, S. 83 f. und IV.4, S. 85). So ist etwa der Fall, dass ein Unternehmen den Rückkauf von Aktien beschließt, um diese später als Akquisitionswährung zu verwenden, nicht erfasst (Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. IV.4, S. 85; BeckOK-WpHR/Seibt/Buck-Heeb/Harnos/Stüber, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rn 58 f.). Anders als bei Stabilisierungsmaßnahmen steht der Safe Harbour für Rückkäufe nur für Aktien zur Verfügung.

Der Emittent hat der zuständigen Behörde jedes Handelsplatzes, auf dem die Aktien zum Handel zugelassen sind bzw. gehandelt werden, alle mit dem Rückkaufprogramm (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052) oder der Stabilisierungsmaßnahme (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 lit. a)) zusammenhängenden Geschäfte zu melden. Dies bedeutet, dass für den Emittenten im Falle des „Multi-Listings“ die Notwendigkeit zur mehrfachen Meldung besteht (Die ESMA hat das Erfordernis der Mehrfachmeldung in Abwägung mit dem Schutz der Anleger und der ansonsten komplexen und langwierigen Informationsweitergabe durch die Behörden, als geringeres Übel eingestuft, ESMA, Draft technical standards v. 28.9.2015 (ESMA/2015/1455), S. 14 f. Rn 26, S. 19 Rn 50. Im Rahmen des EU Listing Act soll diese Mehrfachmeldung künftig wahrscheinlich entfallen).

Ein Auszug aus dem Buch Wachter/Heckschen (Hrsg.) Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, 6. Auflage, 2024, §27 Rn 32-47

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