Der erste Eindruck zählt, wie es so schön heißt, diese Regel gilt auch beim Einstieg eines neuen Notariatsmitarbeiters, denn die Art der Begrüßung und der Einarbeitung bestimmen, ob sich der Neue willkommen und wohlfühlt in der neuen Arbeitsumgebung.
Onboarding heißt das magische Wort
Unter Onboarding versteht man die systematische Integration des neuen Mitarbeiters in das Notariat – also das „an Bord nehmen“ neuer Mitarbeiter. Es versteht sich hierunter nicht nur die Einarbeitung in die Tätigkeiten des neuen Mitarbeiters, vielmehr umfasst das Onboarding die komplette Eingliederung des Mitarbeiters auf allen Ebenen: Es werden Aufgabengebiete festgelegt, die Unternehmensziele und -philosophie genau erklärt und die Kollegen vorgestellt und somit erste soziale Kontakte innerhalb des Unternehmens geknüpft. Der gesamte Prozess beginnt nicht erst mit dem ersten Arbeitstag, er setzt weit vorher an, nämlich schon mit der Vertragsunterzeichnung und endet frühestens am Ende der Probezeit.
Typischerweise wird der Onboarding Prozess in drei Phasen gegliedert
Vorbereitung, Orientierung und Integration. Die Vorbereitung startet vor dem ersten Arbeitstag, hierzu gehört im groben das Bereitstellen von Informationen (wo und wann hat sich der neue Mitarbeiter einzufinden im Notariat, wer ist erste Ansprechperson). Dies sollte am besten vorab per Mail kommuniziert werden. Das Team sollte über den neuen Mitarbeiter informiert werden und alle am Onboarding-Prozess beteiligten Kollegen sollten die benötigten Informationen im Vorhinein bereitgestellt bekommen. Dies schließt auch ein, dass alle über ihre jeweiligen To-dos Bescheid wissen. Typischerweise handelt es sich hierbei um das Sekretariat, Office Management, IT und gegebenenfalls die Ansprechpersonen, die den Mitarbeiter an seinen ersten Tagen unterstützen.
Viele Unternehmen bereiten sich zu wenig oder zu spät auf den ersten Arbeitstag ihres Personals vor
Der Arbeitsplatz ist noch nicht eingerichtet, Login-Daten sind nicht beantragt und der für den Neuen zuständige Mitarbeiter ist gerade im Urlaub. Dabei sind die ersten Tage für einen neuen Angestellten enorm wichtig und für die Festigung des Unternehmensbildes. Die ersten Tage des Mitarbeiters wirken sich entscheidend auf Motivation, Engagement und Produktivität aus. Fühlt sich der neue Mitarbeiter an seinem neuen Arbeitsplatz unwohl oder empfindet er sich sogar als Belastung, weil sein Arbeitsalltag noch organisiert werden muss, kann schnell Unmut und eine Demotivation einsetzen, welche im schlimmsten Fall eine schnelle Kündigung zur Folge hat. Um diese Reaktion zu vermeiden, ist ein professioneller Onboarding-Prozess von größter Wichtigkeit.
Der Onboarding Start
Die Vorbereitung ist hier einer der wichtigsten Punkt, es kommt darauf an, diese gut vorzubereiten. Um den neuen Mitarbeiter am ersten Arbeitstag entspannt und stressfrei willkommen heißen zu können, ist eine gute Vorbereitung und längerfristige Organisation unverzichtbar. Schon nach der Vertragsunterzeichnung können dem zukünftigen Angestellten wichtige Informationen über das Unternehmen, wie das Organigramm und Leitbilder zugeschickt werden. Vor dem Antrittstag muss der Arbeitsplatz mit allen wichtigen Arbeitsmitteln eingerichtet, Passwörter angefordert und alle Kollegen über den zukünftigen Mitarbeiter informiert werden.
Das Bereitliegen eines Handbuchs rundet die Vorbereitung ab und gibt dem neuen Mitarbeiter erste Anhaltspunkte, welche festen Termine es im Notariat gibt und welche internen Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Zudem können im Handbuch die richtigen Ansprechpartner für die verschiedensten Belange verzeichnet werden. Die ersten Wochen sind geprägt von einer hohen Informationsflut und vielen neuen Namen der Kollegen. Hier kann es hilfreich sein, dass bereits eine Teamaufstellung und Namensliste sowie Telefonliste bereitliegt.
Der neue Mitarbeiter wird es dankbar als wichtige Orientierungshilfe annehmen. Auch kleine Gesten erleichtern dem neuen Personal den Einstieg: Ein Blumenstrauß oder eine Grußkarte auf dem Schreibtisch signalisieren dem Mitarbeiter, dass er von Beginn an willkommen ist.
Realitätscheck in der Praxis
Eine bei LinkedIn durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass 75 % der Notariatsmitarbeiter schon mal an einem unvorbereiteten Arbeitsplatz zu Beginn einer neuen Stelle im Notariat gelandet sind. Die Befragten nannten in der Kommentarfunktion unter der Befragung Beispiele wie: „Ich habe es selbst erlebt, kam in die Kanzlei, die Auszubildende war in der Berufsschule, die feste Mitarbeiterin krank und der Anwalt war auf dem Weg zu einem Gerichtstermin. Zugegen war nur der Azubi, der da ebenfalls neu war und nicht wusste, wie korrekt mit der Mandantschaft kommuniziert wird. Der erste Tag war somit von Improvisieren geprägt.“
Ein weiteres Beispiel einer Notarmitarbeiterin
„Mein“ PC wurde vor mir ausgepackt von genervten Kollegen, die eigentlich gar keine Zeit dafür hatten. Und dann begann die Einrichtung. Kollegin, die mich einarbeiten sollte, ging zwar nicht am nächsten Tag in den Urlaub, war aber so überfordert und gestresst, dass ich mich nicht getraut habe, sie etwas zu fragen.
Ich versuchte, mich zurechtzufinden. Kurze Zeit später kamen zwei neue Kolleginnen dazu, diese saßen ratlos mit mir im Zimmer und fragten mich nach Hilfe. Somit „durfte“ ich sie nebenbei einarbeiten. Eine von ihnen ist dann leider sehr zeitnah gegangen. Notare ansprechen: ging nur im Gang zwischen Tür und Angel und im Vorbeigehen. Ein Kommentar eines Mitarbeiters aus der Notariatsleitung: Gerade die Einrichtung des E-Mail-Accounts und die Einräumung sämtlicher Berechtigungen hakt oftmals – trotz aller erforderlichen Impulse aus der Fachabteilung.
Um solche Aussagen und fehlerhaften Abläufe zu vermeiden und den neuen Mitarbeiter professionell zu empfangen, ist es daher sinnvoll, einen standardisierten Onboarding-Prozess für neue Mitarbeiter einzuführen, der regelmäßig bzw. nach jedem Onboarding neuer Mitarbeiter optimiert werden sollte. Dabei sollte geprüft werden, wo noch weitere Verbesserungen im Prozess möglich sind, die die ersten Schritte in der neuen Stelle für alle Seiten (neuer Mitarbeiter/bestehendes Team) vereinfachen.
Mitarbeiter müssen Zeit zur Einarbeitung eingeräumt bekommen
Zur Vorbereitung gehört auch Mitarbeiter anzufragen, die die Einarbeitung freiwillig übernehmen und in dieser Zeit vom Tagesgeschäft befreit sind. Oftmals ist es in der Praxis so, dass ein Mitarbeiter zusätzlich zu seinen täglichen Aufgaben den neuen Mitarbeiter „nebenher“ einarbeiten soll. Es fehlt die Zeit und die Motivation zwischen den eigenen zu erledigenden Aktenbergen noch einen neuen Mitarbeiter mit Ruhe und Genauigkeit einlernen zu können. Deshalb hier ein Praxistipp: bieten Sie ein Benefit für die Übernahme der Aufgabe. Ein Anreiz für den Kollegen, der die Einarbeitungszeit übernimmt, könnte ein Urlaubstag oder eine Sonderzahlung sein. Erarbeiten Sie im Team einen Zeitplan für die Einarbeitung mit Festlegung von Ansprechpartnern und festen Zeiten und Zuständigkeiten.
Zur Vorbereitung gehört ebenfalls, dass das Arbeitsmaterial am Schreibtisch für den neuen Mitarbeiter bereitsteht und aufgefüllt ist, technische Geräte angeschlossen und funktionsfähig sind. Der Drucker eingerichtet ist und der Scan-Ordner für den neuen Mitarbeiter angelegt ist. Telefonanlage und Durchwahl sollte vorher getestet werden, ebenso wie alle Programme und Zugänge für den neuen Mitarbeiter. Auch kleine Details, die oft vergessen werden, wie die firmenkonforme E-Mail-Signatur in Outlook, sollte eingerichtet sein.
Einige Punkte für einen optimalen Ablauf
- wird herzlich empfangen, am besten von der Person, die die Einarbeitung übernimmt
- der Notar begrüßt den neuen Mitarbeiter ebenfalls, nicht nur zwischen Tür und Angel
- Rundgang durchs Büro, Räumlichkeiten/andere Kollegen kennenlernen
- neuen Arbeitsplatz vorstellen, am besten liegt schon die aktuelle Telefonliste und das Handbuch des Notars bereit.
- System/Computer ist ready, Passwörter/Freischaltungen sind von der IT eingerichtet
- E-Mail-Account vorhanden! Bitte auch schon mal die Signatur in Outlook vorbereiten. So müssen nicht erstmal die Schriftart und sonstige Vorgaben erfragt werden.
- Vorstellung des neuen Mitarbeiters mit Rundmail
- nachfragen, ob gemeinsam Mittag gemacht wird, wenigstens am ersten Tag
Die Realität in vielen Notariaten
- Mitarbeiter steht verloren am Empfang, man muss erst schauen wer gerade Zeit hat sich darum zu kümmern
- Das Team wird nicht vorgestellt
- wo der neue Mitarbeiter sitzt, wird JETZT geschaut
- der Arbeitsplatz ist nicht bereit, kein Telefon vorhanden
- die Einrichtung des Accounts von E-Mail und System wurde verbummelt, weil sich keiner zuständig gefühlt hat
- die Mitarbeiterin, die die Einarbeitung übernimmt, geht morgen in Urlaub…
- Räumlichkeiten, Aktenordnung wurde nicht mal grob gezeigt, man darf sich dann selbst auf die Suche machen
- in der Mittagspause gehen die Kollegen allein los
Tipps, um mehr Struktur für die Mitarbeiter zu schaffen
- IT- Zugänge müssen bereit und der Arbeitsplatz vollständig eingerichtet sein – hier hilft eine Deadline sowie eine Checkliste!
- Eine Rundmail vorab sollte alle Mitarbeiter nochmals informieren das am nächsten Tag eine neue Kollegin anfängt. Ggf. auch per Kalendereintragung möglich.
- Am ersten Tag sollte, wenigstens gefragt werden bzw. gezeigt werden, wo die Mittagspause stattfindet etc. der neue Mitarbeiter fühlt sich somit nicht allein gelassen.
- Arbeitsmaterial sowie sanitäre Anlagen bei einem kleinen Rundgang zügig zeigen.
Die fachliche Einarbeitung
Die Einarbeitung ist der nächste Schritt, der auf das Onboarding folgt. Hier sollte der positive Ersteindruck durch das gelungene Onboarding weitergeführt werden.
Was bedeutet Einarbeitung? Hier sollte vor allem der Aspekt der Vorkenntnisse beachtet werden. Dies bedeutet, eine gelernte Fachkraft aus dem Notariatswesen braucht eine weniger intensive Einarbeitung, hier müssen einfach die grundsätzlichen Gegebenheiten wie Aktenführung, Teamorganisation, Zuständigkeiten, Systembesonderheiten, Urlaubsregelungen und Zeiterfassungen erläutert werden. Auch zeitlich lässt sich die Einarbeitung hier einschränken, ein grober Wert könnten hier max. 3 Tage sein.
Hingegen sollte bei Quereinsteigern, die es ja häufig aufgrund des Fachkräftemangels in dieser Branche gibt, mehr Zeit investiert werden und intensiv von den Grundlagen bis ins Detail eine Einarbeitung erfolgen. Eine intensive Betreuung und Begleitung auch über die Einarbeitungszeit hinaus scheinen hier am sinnvollsten. So können später bei selbständiger Übernahme der Aufgaben grobe Fehler wie z. B. richtige Aktenführung, ob physisch oder digital vermieden werden.
Fragen von Quereinsteigern innerhalb der Einarbeitung können als Lerneffekt für spätere Einarbeitungen herangezogen werden bzw. durch den Blick eines Quereinsteigers auf einen Prozess können ggf. umständliche Vorgänge aufgedeckt werden und somit für das ganze Notariatsteam verbessert werden. Quereinsteiger fragen oftmals Abläufe nach, die für Fachpersonen logisch erscheinen. Durch das Erfragen kommt ein neuer Blickwinkel zustande, der auch für andere Teammitglieder unklar ist oder verbessert werden kann.
Wichtig für den Start der Einarbeitung
Hier sollte natürlich beachtet werden, welche Bereiche liegen dem neuen Mitarbeiter, gibt es hier Präferenzen? Dies sollte bereits im Einstellungsgespräch abgeklärt worden sein, da es auch wichtig für die spätere Teameinteilung nach Sachgebieten oder Tätigkeitsbereich (Vorbereitung, Vollzug, Abwicklung) ist.
Zuerst einmal ist es wichtig, zu sehen, dass die Einarbeitung neuer Mitarbeiter nicht einfach so nebenher und zusätzlich zum Tagesgeschäft laufen kann.
Die Einteilung eines Einarbeitungstags könnte beispielhaft wie folgt ablaufen
In der Zeit der Einarbeitung, sollte der Tag gesplittet sein: morgens Einarbeitung, nachmittags Tagesgeschäft, das erfordert auch die Mithilfe der anderen Kollegen. Diese Aufteilung ermöglicht auch dem neuen Mitarbeiter, das Gezeigte am Nachmittag allein umzusetzen, sich Fragen für den nächsten Tag zu notieren.
Die verantwortliche Mitarbeiterin sollte in dem Zeitraum dauerhaft anwesend und auch zeitlich verfügbar sein, um aufkommende Fragen sofort zu beantworten.
Ein Bonus, der neuen Mitarbeitern gestellt werden könnte, ist der Zugang zu einer digitalen Rechtsbibliothek bei der via Such-Funktion, aktuelle Rechtsprechung und Formularbücher zum Nachschlagen enthalten (z.B. ReNo Smart). Fazit: Wer Mitarbeiter langfristig halten möchte, sollte auf einen gelungenen Start setzen.