Zu viel des Guten? – Wenn Organspende-Dokumente sich widersprechen …

Im März 2024 wurde das neue Organspende-Register freigeschaltet. Wer im Todesfall eigene Organe oder eigenes Gewebe spenden will, kann seinen Willen nun einfach digital hinterlegen. Ärzte und Kliniken sind dann schnell im Bilde, ob jemand spendewillig ist. Dieser Beitrag erklärt kurz die Vorteile des neuen Registers und warum es ein Problem sein kann, wenn doppelte bzw. mehrfach aufgesetzte Verfügungen vorliegen.

1. „Ja“ sagen per Mausklick: Register spart Zeit und schafft Klarheit

Sicher hatten Sie schon einige Mandanten, die sich eine Patientenverfügung erstellen und beurkunden ließen. Mit ihr wird festgelegt, welche medizinischen Maßnahmen und Behandlungen man wünscht oder ablehnt; ggf. wird auch die Frage der Organspende geklärt. Letzteres ist aber auch ohne Patientenverfügung möglich. Dafür gibt es die bekannten orangefarbenen Spenderausweise im Scheckkartenformat, die in Apotheken oder Hausarztpraxen ausgegeben werden.

Im jüngst freigeschalteten Organspende-Register lässt sich der eigene Wille nun auch digital hinterlegen, entweder am PC oder bequem via Smartphone. Notwendig sind ein Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion und die installierte AusweisApp. Zusätzlich wird man sich bald auch ganz einfach mit der eigenen Krankenkassen-App registrieren können. Die Registrierung ist kostenlos und ein Eintrag kann jederzeit geändert werden, z. B. von einem Einverständnis der Spende zu einer Ablehnung oder Einschränkung. Dabei sind online dieselben Angaben zu machen, wie man sie auch im Papier-Ausweis ankreuzt. Dazu gehören:

  • a. Umfang bzw. Beschränkung der Spendenbereitschaft,
  • b. Widerspruch der Spendenbereitschaft,
  • c. Angabe von Personen und deren Kontaktdaten, die für den Betroffenen entscheiden sollen.

Häufig geschieht es, dass Ärzte in medizinischen Notfällen nicht rasch feststellen können, ob eine Person spendewillig ist oder nicht. Der Spenderausweis steckt vielleicht nicht in der Brieftasche, wurde irgendwann verloren bzw. ist nicht auffindbar oder unleserlich. Bis zum 01.07.2024 sollen alle sogenannten Entnahmekrankenhäuser in Deutschland an das neue Register angebunden sein und per Mausklick Einträge eingesehen werden. So wird bei der möglichen Planung von Transplantationen Gewissheit und wertvolle Zeit gewonnen.

2. Recht widersprüchlich? Organspende unmissverständlich regeln

Was die Gültigkeit betrifft: Grundsätzlich gilt immer die zuletzt abgefasste bzw. jüngste Erklärung zu einer Organ- und Gewebespende (§ 2 Abs. 2 S. 4 TPG). Allerdings kann es zu einem wahren „Vorsorgemix“ kommen, der mehr vernebelt als klarstellt, was der Betreffende sich nun genau wünscht. Vielleicht hat dieser

  • verschiedene Vorsorgedokumente erstellt,
  • seinen Spendewillen ein oder mehrmals geändert und auch
  • nicht alle (überholten) Dokumente bzw. Vollmachten zurückgerufen, die nicht mehr gelten sollen und vielleicht noch bei Angehörigen in den Schubladen schlummern.

Ohne den sachkundigen Blick eines Notars oder Vorsorgeanwalts auf die Rechtsgültigkeit von Vorsorgedokumenten kann hier schnell etwas schiefgehen. Eine Abstimmung von einzelnen Verfügungen, dass diese sich nicht widersprechen und auch rasch erkannt wird, welches Dokument aktuell ist, gehört zu den wichtigsten Grundsätzen, wenn die Vorsorge geregelt wird. Das Ganze verkompliziert sich weiter, wenn befragte Angehörige widerstreitend behaupten, dass dieser oder jener Wille des Betroffenen zuletzt gegolten hätte. Der Glaube „doppelt hält besser“ (im Sinne mehrfacher Verfügungen) wird dann zum Bumerang.

Hinweis: Wer sich im Organspende-Register eingetragen hat, kann seinen bisherigen Papier-Spendeausweis weiterhin bei sich tragen. Das wird sogar empfohlen, da noch nicht alle Krankenhäuser an das Register angebunden sind und die Ärzte auf Papier-Ausweise achten. Wer einen besitzt, sollte ihn zusammen mit wichtigen persönlichen Papieren (Ausweis, Impfpass, Scheckkarten) stets dabei haben. Auch hier ist auf Einheitlichkeit zu achten: Die Angaben im Papier-Ausweis und im Organspende-Register sollten natürlich identisch sein.

Ist der Spendewille nur in einer registrierten Vorsorge- bzw. Patientenverfügung dokumentiert, erfahren die Ärzte in Kliniken hiervon aber auch, da diese seit dem 01.01.2023 das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer elektronisch abrufen können. Hat ein nicht mehr ansprechbarer Patient eine solche Verfügung registriert, können die Ärzte die darin benannten Vertrauenspersonen kontaktieren, um den Patientenwunsch zu ermitteln.

Ein interessantes Informationsangebot für Mandanten ist übrigens auch der Organspende-Podcast der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der einzelne Probleme zum Thema anschaulich aufgreift.

Fazit

Der Organspende-Wille kann in dem neuen Register kostenlos, unkompliziert und ohne notarielle Hilfe selbst hinterlegt werden. Hat der Betroffene seinen Willen schon in einer notariell beurkundeten Verfügung aufgenommen, wird diese vom Notar an das Zentrale Vorsorgeregister übermittelt. Ärzte und Kliniken können digital sowohl das Organspende- als auch (seit kurzem) das Zentrale Vorsorgeregister abrufen. Existieren mehrere Vorsorgeverfügungen, ist ggf. auf einen widerspruchslos formulierten Willen zur Organspende zu achten. Der Eintrag im Organspende-Register soll den Papier-Ausweis zwar langfristig ersetzen, trotzdem sollte dieser bis auf Weiteres noch in der Brieftasche stecken.

Christian Noe ist Rechtsanwaltsfachangestellter, Kulturwissenschaftler und freier Journalist. Als langjähriger Autor für verschiedene Medien verfasst er Beiträge für das Fachpersonal in den Rechtsberufen in den Themenbereichen Ausbildung, Digitalisierung, Rechtsprechung und Kanzleiorganisation.