Am 22. Mai 2024 wurde der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung veröffentlicht. Nachdem seit dem Jahr 2022 bereits im Rahmen der notariellen Online-Verfahren elektronische Niederschriften errichtet werden können, soll nun die Möglichkeit geschaffen werden, auch im herkömmlichen Präsenzverfahren, also mit den Erschienenen im Notarbüro, eine elektronische Urkunde zu errichten. Zwischenzeitlich hat am 09. Oktober 2024 die Anhörung der Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung stattgefunden. Daher ist davon auszugehen, dass der Regierungsentwurf demnächst auch Gesetz wird. Der nachfolgende Beitrag soll einen ersten Eindruck auf den Weg in die elektronische Präsenzbeurkundung vermitteln.
Einführung
Im Rahmen der elektronischen Präsenzbeurkundung findet die Beurkundung weiterhin in Präsenz statt. D.h. die Beteiligten erscheinen unverändert persönlich im Notarbüro, soweit sie sich nicht anlässlich der Beurkundung vertreten lassen. Der wesentliche Unterschied zu einer herkömmlichen (Papier-)Urkunde besteht im Ergebnis darin, dass die Urkunde direkt digital entsteht, also dem Notar nicht körperlich in Papierform vorliegt, und die Beteiligten am Ende des Beurkundungsvorgangs mithilfe eines Signierpads unterzeichnen und der Notar durch Anbringung seiner qualifizierten Signatur die Urkunde erstellt. Dies führt im Ergebnis zu einer originär erzeugten elektronischen Urkunde, was für eine Erleichterung im weiteren Bearbeitungsprozess führt.
Die derzeitige Fassung des § 8 BeurkG sieht vor, dass jede beurkundete Willenserklärung in Papier abzufassen ist, ebenso die Abnahme von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen. Regelmäßig erfolgt dann die Weiterverarbeitung der Urkunde in elektronischer Form, hier sei beispielhaft auf den elektronischen Grundbuch- und Handelsregisterverkehr hingewiesen, ebenso sind in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch den Notar Anträge und Erklärungen nach § 14b FamFG in elektronischer Form bei Gericht einzureichen. Wird die Urkunde nun ausschließlich in Papier errichtet, muss die Urkunde zur weiteren Bearbeitung eingescannt werden damit eine weitere Bearbeitung erfolgen kann. Nicht zuletzt müssen Notare seit Einführung des elektronischen Urkundenarchivs die Urkunde ohnehin elektronisch aufbewahren.
Auch nach Einführung der elektronischen Präsenzbeurkundung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Präsenztermin beim Notar weiterhin der Normalfall sein, gerade im privaten Bereich. Notare sind ausdrücklich nicht verpflichtet, die digitale Präsenzbeurkundung anzubieten (§ 8 Abs. 2 S. 1 und § 36 Abs. 2 S. 1 BeurkG-E). Es besteht kein Wahlrecht der Beteiligten hinsichtlich der Errichtung einer originär errichteten elektronischen Urkunde oder einer papierförmigen. Hintergrund hierfür ist, dass der Notar weiterhin die Herrschaft über das Beurkundungsverfahren behalten soll. Dies ist erforderlich, damit der Notar seinen Amtspflichten zur vollständigen Beratung und Belehrung sicherstellen kann. Gerade ältere Menschen besitzen ein größeres Vertrauen in ein Papierdokument und sind froh, wenn alles so läuft, wie es immer war.
Ungeachtet dessen sollte der Notar natürlich auch die Wünsche und Präferenzen der Ansuchenden nicht außer Acht lassen.
In der neuen Fassung des § 78 Nr. 11 BNotO ist geregelt, dass die BNotK die Signatursoftware für die Durchführung der elektronischen Präsenzbeurkundung zur Verfügung stellt. Es gilt zu beachten, dass für die elektronischen Niederschriften und elektronischen Beglaubigungen nur dieses System der BNotK verwandt werden darf (§ 13b Abs. 1 BGB-E).
Mit der Einführung der elektronischen Präsenzbeurkundung ist im 4. Quartal des Jahres 2024 rechnen, ggf. auch erst Anfang 2025.
Die Gesetzesänderungen
Zur Einführung der elektronischen Präsenzbeurkundung bedarf es der Änderung einiger Gesetze. Vor allem das Beurkundungsgesetz muss teilweise geändert werden, ebenso sind Anpassungen im BGB, im GNotKG und in der NotAktVV erforderlich.
Eine wesentliche Änderung befindet sich in § 8 Abs. 2 BeurkG-E. Hierdurch ist es dem Notar zukünftig möglich, die Niederschrift bei der Beurkundung von Willenserklärungen elektronisch aufzunehmen und somit auch ausschließlich vom Bildschrift abzulesen. Nach § 31 BeurkG-E ist jedoch die Errichtung einer Verfügung von Todes wegen weiterhin nur in Papierform möglich, eine lediglich elektronische Errichtung ist daher unzulässig. Hierunter fallen beispielsweise auch Widerrufstestamente, Aufhebung eines Erbvertrages, isolierte Benennung eines Vormunds, Schenkungsversprechen auf den Todesfall etc.
Gleichwohl ist die Errichtung sonstiger erbfolgerelevanter Urkunden, zum Beispiel Rücktritt von einem Erbvertrag, Güterstandsvereinbarungen, Erb- und Pflichtteilsverzichte etc. in Form der elektronischen Präsenzbeurkundung möglich. Zu beachten ist jedoch, dass wegen Art. 22 Abs. 2 EuErbVO eine erbrechtliche Rechtswahl in Form einer Verfügung von Todes wegen wiederum nicht in originär elektronischer Form möglich ist. Auch müssen „versteckte“ Anwendungsfälle berücksichtigt werden, in denen nach § 31 BeurkG-E eine Beurkundung in Präsenzbeurkundung nicht möglich ist, hierunter fallen zum Beispiel die Beurkundung eines Vermächtnisses im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung zugunsten der gemeinsamen Abkömmlinge, nachträgliche Ausgleichsansordnungen betreffend früherer Zuwendungen, welche als Vorausvermächtnis angesehen werden könnten, konkludente Bestimmungen über die Verteilung der Pflichtteilslast unter mehreren Abkömmlingen in einem Übertragungsvertrag (vergl. § 2324 BGB).
Weitere mögliche Anwendungsfälle könnten zudem die Vormundbenennung gemäß § 1782 Abs. 1 S. 1 BGB und das Schenkungsversprechen unter einer echten Überlebensbedingung gemäß § 2301 BGB sein. Hier bleibt die weitere Kommentierung und Rechtsprechung abzuwarten. Bis dahin sollte mit der Errichtung dieser Urkunden in Form der elektronischen Präsenzbeurkundung sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Die Folgen eines möglichen Formverstoßes führen zwar nicht zur Unwirksamkeit der Urkunde (Soll-Bestimmung), stellen aber eine Amtspflichtverletzung des Notars dar, zudem besteht das Risiko bei der Verwahrung und Eröffnung („wie“?).
Auch wurde ein neuer § 40b BeurkG-E eingefügt. Hierdurch soll in Zukunft ermöglicht werden, die Beglaubigung einer elektronischen Unterschrift vorzunehmen, sofern die Unterschrift in Gegenwart des Notars vollzogen und in einem elektronischen Dokument bildlich wiedergegeben wird.
Eine wesentliche Änderung wird auch im Hinblick auf die Anlagen zu einer Urkunde erfolgen. Nach derzeitiger Rechtslage müssen Anlagen iSd § 14 BeurkG von den Beteiligten unterschrieben werden. Diese Verpflichtung wird komplett entfallen, gleiches gilt für die Urkunde in Papierform.
Zu beachten ist künftig folgendes:
Legen die Beteiligten im Vorfeld einer Beurkundung oder während des Beurkundungsverfahrens Unterlagen, die als Anlage zur elektronischen Urkunde genommen werden vor, so müssen diese Anlagen unmittelbar eingescannt werden, damit diese Teil der elektronischen Urkunde werden. Maßgeblich ist künftig § 8 Abs. 2 S. 2 BeurkG-E. Die Errichtung einer „hybriden“ Urkunde -teils in elektronischer Form und teils in Papierform – ist unzulässig.
Hieraus folgt auch, dass die elektronische Niederschrift und die dazugehörigen Anlagen künftig ein einem einheitlichen PDF zusammengefasst werden. Es muss alles Teil der zu signierenden Datei sei; dies entspricht der Bestimmung nach § 44 BeurkG, wonach die Urkunde und ihre Anlagen mit Schnur und Siegel verbunden sein müssen.
Die Zusammenführung mehrerer PDF zu einer Datei ermöglicht bereits heute das Dokumenten-Tool in XNP oder in allen gängigen PDF-Anwendungen. Die künftige XNP-Anwendung „eBeurkundung“ ist technisch ebenfalls in der Lage, eine Verbindung zwischen mehreren PDF-Dateien oder auch zwischen einer Word-Datei und einer PDF-Datei herzustellen. Dabei wird die Word-Datei in eine PDF-Datei umgewandelt.
Zwangsläufig stellt sich hier die Frage, wie künftig mit Anlagen umzugehen sein wird, die nicht eingescannt werden können, zum Beispiel Pläne größer als A3. Sollten solche Anlagen dem Notar nicht in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden können, bleibt letztlich als Ausweg nur die – weiterhin zulässige – Errichtung der Urkunde in Papierform.
Allerdings ist zu überlegen, ob zunächst eine Verweisungsurkunde in Papierform errichtet wird und im Anschluss die Beurkundung der Niederschrift in ausschließlich elektronischer Form erfolgt. Nach der künftigen Bestimmung des § 13c BeurkG-E, derzeit § 13a Abs. 1 BeurkG, ist es möglich, eine Urkunde elektronisch in Präsenz zu errichten und in dieser Niederschrift auf eine Urkunde in Papierform zu verweisen.
Gleichzeitig ist es natürlich auch möglich, in einer elektronischen Urkunde in Präsenzform auf eine andere elektronisch errichtete Urkunde zu verweisen (§ 13c BeurkG-E). Eine Erleichterung wird es hierbei künftig auch in der Weise geben, dass bei einer Verweisung nach § 13c BeurkG-E (derzeit § 13a BeurkG) die Verweisungsurkunde nicht mehr in (mindestens) in beglaubigter Abschrift in Papierform vorliegen muss. Es genügt, wenn die Bezugsurkunde für die Beteiligten in beglaubigter Abschrift einsehbar ist. Hierbei ist es ausreichend, dass die Beteiligten die Bezugsurkunde in elektronischer Urschrift oder in elektronisch beglaubigter Abschrift auf einem Bildschirm einsehen können.
Wesentlicher Inhalt des Beurkundungsverfahrens zur Errichtung einer elektronischen Urkunde im Präsenzverfahren bleibt das Verlesen der Niederschrift. Der Inhalt der Urkunde ist zu verlesen, unabhängig vom Medium. Die Verlesung der Urkunde kann unmittelbar aus der Notariatsfachanwendung oder Word heraus erfolgen, aber auch vom Papier.
In Zukunft ist auch das Verlesen vom Monitor möglich, wenn die Urkunde ausschließlich in Papierform errichtet wird. Dies ermöglicht es dem Notar, Urkunden in Papierform zu errichten, die vor dem Ausdruck ausschließlich vom Monitor verlesen werden und erst am Schluss ausgedruckt und unterschrieben werden. Der Ausdruck der Papierurkunde muss also nicht nochmals verlesen werden. Hiermit dürfte für viele Notarbüros eine erhebliche Arbeitserleichterung einher gehen.
Das Verlesen vom Monitor ermöglicht es dem Notar, etwaige Änderungen direkt beim Verlesen transparent für die Beteiligten einzuarbeiten. § 44 Abs. 1 BeurkG lässt hier einen vollständigen Neuausdruck anstelle des Verfahrens mit Randvermerken zu. Auch besteht hier die Möglichkeit, die Niederschrift im Änderungsmodus in Word zu erstellen und in der Nebenakte zu speichern. Signiert bzw. ausgedruckt wird dann das finale Dokument nach Annahme aller Änderungen.
Auch bei der elektronischen Präsenzbeurkundung müssen die Beteiligten schließlich die Niederschrift unterschreiben. Mittels eines zur Erfassung der Unterschrift geeignetem Hilfsmittel, zum Beispiel ein Unterschriftenpad oder ein Tablet, wird die eigenhändige Unterschrift der Beteiligten bildlich wiedergegeben (§ 13a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BeurkG-E). Auch sonstige Beteiligte, zum Beispiel Dolmetscher haben die Niederschrift am Ende in gleicher Weise zu unterzeichnen. Um die Beurkundung abzuschließen, bedarf es sodann der qualifizierten Notarsignatur (§ 13a Abs. 2 und 4 BeurkG-E). Hierbei sollen Name und Amtsbezeichnung des Notars am Ende der Niederschrift wiedergegeben werden (§ 13a Abs. 4 S. 3 und 4 BeurkG-E). Als mögliche Gestaltung ist es durchaus zulässig, die eingescannte Unterschrift des Notars nebst einer Abbildung des Siegels am Ende der Niederschrift nach den Unterschriften der Beteiligten einzupflegen.
Nach § 44a Abs. 2 S. 5 BeurkG-E ist eine Berichtigungsurkunde zu einer elektronisch errichteten Urkunde ebenfalls in elektronischer Form zu errichten. Diese neue Bestimmung sollte in der Praxis beachtet werden, da ansonsten eine Amtspflichtverletzung des Notars vorliegt. Hintergrund hierfür ist, dass die Errichtung von hybriden Urkunden nicht möglich ist.
Und schließlich gilt es zu beachten, dass nach § 31 NotAktVV von der elektronischen Urschrift, die infolge der elektronischen Präsenzbeurkundung entsteht, eine beglaubigte Abschrift in die Urkundensammlung eingelegt werden muss.
Nach § 40b BeurkG-E kann der Notar künftig auch elektronisch gefertigte Unterschriften beglaubigen. Hierbei gilt, dass die Beglaubigung durch den Notar nur erfolgen darf, wenn die elektronisch gefertigte Unterschrift vor dem Notar vollzogen wurde. Eine Anerkennung der Unterschrift ist nicht möglich.
Eine solche Beglaubigung durch den Notar gilt nach § 129 Abs. 3 BGB-E als öffentlich beglaubigte Erklärung und erfüllt also insbesondere die Anforderungen der Grundbuchämter (§ 29 Abs. 1 GBO) und Registergerichte (§ 12 Abs. 1 HGB). Auch erfüllt eine derart vorgenommene Beglaubigung die Schriftform nach § 126 Abs. 4 BGB-E.
Eine zentrale Änderung ist in § 34 S. 3 BNotO enthalten. Demnach ist der Notar verpflichtet, die BNotK unverzüglich zu unterrichten, wenn die Sicherheit, etwa des Zentralen Vorsorge- und Testamentsregister, des Elektronischen Urkundenverzeichnisses, des besonderen elektronischen Notariatspostfachs oder ähnlicher Stellen gefährdet sein könnten.
Urkundengestaltung
Vor dem Hintergrund, dass jegliche Änderungen und Ergänzungen nach dem Anbringen der qualifizierten Signatur des Notars untersagt sind, ansonsten würde die Signatur ungültig, sind zuvor die Urkundenverzeichnisnummer und die Jahreszahl auf der Niederschrift anzubringen. Diese Angabe ist nach § 3 Abs. 3 NotAktVV für alle Urkunde verpflichtend, gemeint sind hier Urschriften, Ausfertigungen und Abschriften sowie elektronische Beglaubigungsvermerke nach § 39a BeurkG. Ausgenommen hiervon sind elektronische Niederschriften, welche im Rahmen der Online-Verfahren oder im Präsenzverfahren errichtet werden (§ 3 Abs. 3 S. 3 NotAktVV). Der Hintergrund hierfür ist, dass diese Urkunden in der Verwahrung des Notars verbleiben und nur in (elektronisch) beglaubigter Abschrift in den Rechtsverkehr gelangen (§ 45b Abs. 1 BeurkG); diese wiederum müssen stets die UVZ-Nummer aufweisen.
Zur Umsetzung dieser Vorgaben bestehen folgende Möglichkeiten:
- die UVZ-Nummer bereits bei der Vorbereitung der Urkunde im Textverarbeitungsprogramm (mittels der Notariatsfachanwendung) einfügen,
- die UVZ-Nummer bei elektronischen Niederschriften generell weglassen und erst im Nachgang vergeben; bei Unterschriftsbeglaubigungen (§ 40b BeurkG) ist darauf zu achten, dass die UVZ-Nummer stets vor der qualifizierten Notarsignatur vergeben sein muss,
- Beteiligte nur auf Unterschriftenpad unterschreiben lassen und vor Anbringung der qualifizierten Notarsignatur die UVZ-Nummer auf der Urkunde anbringen; hier gilt es jedoch zu beachten, dass bis zum Anbringen der qualifizierten Notarsignatur keine wirksame notarielle Urkunde vorliegt.
Beim Urkundeneingang bestehen bei der elektronischen Präsenzbeurkundung keine Unterscheide zur Beurkundung in Papierform. Die Beteiligten sind ebenfalls anwesend, so dass keine Besonderheiten bei der Identifizierung bestehen (anders als im Online-Verfahren). Jedoch ist der Schlussvermerk bei einer elektronischen Präsenzbeurkundung anzupassen und kann lauten:
„Vorgelesen von dem Notar, von den Beteiligten eigenhändig elektronisch unterschrieben und vom Notar qualifiziert elektronisch signiert.“