Vier Jahre berufsbegleitendes Fernstudium, eine ständige Dreifachbelastung mit Job und Privatleben – all das liegt nun hinter mir! Im Oktober letzten Jahres habe ich nach acht Semestern in Regelstudienzeit meinen Bachelor in „Rechtswissenschaften für Notarfachwirte (LL.B.)“ erfolgreich abgeschlossen.
War es einfach? Ganz und gar nicht. Würde ich mich wieder dafür entscheiden? Auf jeden Fall!
Warum sich die Mühe trotz aller Herausforderungen gelohnt hat, welche Höhen und Tiefen ich durchlebt habe und welche Erkenntnisse ich für mich mitnehme? Das berichte ich gerne:
Mein Weg zum Studium
Schon während meiner Ausbildung zur Notarfachangestellten, die ich 2017 begann und 2,5 Jahre später erfolgreich abschloss, war mir klar: Das kann nicht alles gewesen sein. Die juristischen Inhalte faszinierten mich und ich wollte tiefer in die Materie eintauchen. Eine ehemalige Mitschülerin erzählte mir zufällig von einem berufsbegleitenden rechtswissenschaftlichen Bachelor – Das könnte genau das Richtige für mich sein!
Ich recherchierte, nahm an einer Online-Infoveranstaltung teil und wusste sofort: Das ist mein Weg! Das Studium bot mir die Möglichkeit, weiterhin in meinem Beruf zu arbeiten, mich gleichzeitig persönlich und fachlich weiterzuentwickeln und einen akademischen Abschluss zu erlangen.
Studienaufbau und Inhalte
Das Studium war weitgehend online im Selbststudium organisiert, was mir maximale Flexibilität bot. Bei den ersten drei Semestern handelte es sich um die Module der Aufstiegsfortbildung zum Notarfachwirt. Optional konnte danach die Prüfung vor der Notarkammer Berlin absolviert werden, um den Abschluss „geprüfter Notarfachwirt“ zu erhalten. Ab dem vierten Semester begann dann das rechts- und betriebswirtschaftliche Aufbaustudium.
Die Studieninhalte waren besonders praxisnah und breit gefächert: Beurkundungsrecht, Gesellschaftsrecht, Grundstücksrecht und Kostenrecht, aber auch Betriebswirtschaftslehre, Verhandlungsführung und Vertragsgestaltung.
Prüfungen fanden entweder in Form von Hausarbeiten oder Klausuren statt und wurden durch jeweils eine Präsenzveranstaltung im Semester sowie aufgezeichnete Online-Tutorien am Abend ergänzt. Ergänzend zu 16 Prüfungsstandorten sowie der Möglichkeit, Klausuren online zu schreiben, war das Studium dadurch bestmöglich mit dem eigenen Leben zu vereinbaren.
Organisation und Zeitmanagement
Ein berufsbegleitendes Studium erfordert eine enorme Disziplin und ein gutes Zeitmanagement. Auch wenn die Belastung und Zeiteinteilung über die vier Jahre nicht gleichmäßig waren, hat mir folgende Struktur geholfen:
- Zu Beginn jedes Semesters Klausuren, Tutorien und Veranstaltungen im Kalender eintragen.
- Prüfungsphasen erkennen und vorhergehende Wochenenden für die Vorbereitung blockieren.
- Feste Lernzeiten einplanen und im Kalender eintragen.
- Zwei- bis dreimal wöchentlich abends lernen.
- Wochenenden für längere Lerneinheiten (etwa acht Stunden) nutzen.
Der Aufwand von regelmäßig 15 zusätzlichen Zeitstunden ergänzend zur Vollzeittätigkeit hat meinen Terminkalender stark eingenommen und dazu geführt, dass ich meine Freizeit effizient und effektiv geplant und genutzt habe, um eine „Work-Study-Life-Balance“ beizubehalten.
Natürlich gab es Phasen, in denen das Studium besonders einnehmend war und in denen Freunde und Familie zu kurz kamen, andererseits gab es auch Phasen, in denen die Arbeit oder Familie und Freunde Priorität hatten. Die größte Herausforderung bestand darin, Routinen zu etablieren und gleichzeitig flexibel auf aktuelle Umstände zu reagieren. Letztendlich war es jedoch diese Balance, die mir half, durchzuhalten und am Ball zu bleiben.
Herausforderungen
Ab dem fünften Semester stand alle sechs Wochen eine Klausur an. Diese kontinuierliche Prüfungsbelastung war für mich eine der größten Herausforderungen des Studiums. Es gab immer wieder Phasen, in denen ich, beispielsweise aufgrund des Umfangs oder der Komplexität des Moduls, privaten Notfällen oder besonders intensiven Projekten im Büro mit langen und anstrengenden Arbeitstagen, zweifelte, ob ich die anstehende Klausur schaffen könnte. Ich habe in allen Fällen „die Zähne zusammengebissen“ und die jeweilige Klausur am empfohlenen Prüfungstermin abgelegt. Auch wenn diese Tage oft sehr anstrengend waren, war es rückblickend vermutlich die beste Entscheidung, mich den Prüfungen trotzdem zu stellen. Den perfekten Zeitpunkt für eine Prüfung gibt es nicht – irgendetwas kommt immer beruflich oder privat dazwischen!
Die größte Herausforderung? Mir Auszeiten vom Studium zu erlauben! Da es keine vorgegebenen Semesterferien gab, stellte ich meine Urlaubspläne immer wieder hinten an, um den Studienplan konsequent einzuhalten. Doch eine der wichtigsten Lektionen, die ich lernte: Erholungsphasen sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Erst als ich mir wieder Urlaub nahm, um mich zu erholen, den Kopf freizubekommen und neue Kraft zu tanken, merkte ich, wie sehr sich meine Leistungsfähigkeit verbesserte und ich die Zeit effizienter nutzen konnte.
Praxisbezug und Netzwerk
Einer der größten Vorteile des berufsbegleitenden Studiums war die direkte Anwendbarkeit der Studieninhalte in meinem Arbeitsalltag. Besonders in den ersten Semestern wurden vielfältige Fälle behandelt, die so auch in der Praxis aufgetreten sind, wodurch ich das gelernte Wissen direkt nutzen und anwenden konnte – das war nicht nur lehrreich, sondern auch äußerst motivierend.
Gleichzeitig stärkte das Studium meine Fähigkeit, mit offenen Fragestellungen und komplexen Problemen strukturiert umzugehen. Ich gewann an Sicherheit im Umgang mit Fachtexten und entwickelte ein tieferes Verständnis für juristische Zusammenhänge. Ein entscheidender Faktor war hierbei die regelmäßige Nutzung von Kommentaren und Online-Bibliotheken, die für mich schnell zu unverzichtbaren Werkzeugen wurden – sowohl im Studium als auch in meinem Berufsalltag.
Der Austausch mit Kommilitonen war hingegen eingeschränkt. Anders als in einem Vollzeitstudium fehlte der direkte Kontakt, da die Studieninhalte größtenteils im Selbststudium erarbeitet wurden und die Online-Tutorien hauptsächlich auf das Zuhören und Mitarbeiten ausgerichtet waren. Dennoch boten sich Möglichkeiten zur Vernetzung: Bei den Präsenzveranstaltungen knüpfte man neue Kontakte und über WhatsApp-Gruppen konnte man mit anderen in Verbindung bleiben, die vor ähnlichen Herausforderungen standen.
Motivation und Durchhaltevermögen
Meine größte Motivation war mein eigener Ehrgeiz. Der Bachelorabschluss war nicht Voraussetzung für meinen Arbeitgeber oder für eine spätere Position, die ich damals angestrebt habe, sodass ich mich nicht gezwungen oder von anderen unter Druck gesetzt gefühlt habe – es war eine bewusste Entscheidung für meine persönliche und berufliche Weiterentwicklung.
Besonders motivierend war es, Fortschritte zu sehen. Kleine Zwischenziele – wie eine absolvierte Klausur oder der Abschluss eines weiteren Semesters – zeigten mir, wie viel ich bereits erreicht hatte. Um meine Erfolge zu feiern, nahm ich mir „uni-freie Tage“, belohnte mich mit schönen Erlebnissen oder Dingen, die ich mir schon lange gewünscht hatte.
Natürlich gab es auch Phasen, in denen mich die doppelte Belastung von Studium und Beruf frustrierte. In solchen Momenten habe ich mir bewusst eine kurze Auszeit gegönnt, um Abstand zu gewinnen. Nach zwei bis drei Tagen, in denen ich mich nicht mit dem Studium beschäftigt habe, fiel es mir dann leichter, mich wieder zu motivieren und meinen Zeitplan fortzusetzen.
Mein soziales Umfeld wusste von meiner Doppelbelastung und Freunde und Familie zeigten Verständnis und motivierten mich. Besonders in Prüfungsphasen half es, offen zu kommunizieren, wann ich Zeit zum Lernen brauchte und wann ich für gemeinsame Aktivitäten wieder verfügbar war. Diese Unterstützung war wichtig, um mich auf die Arbeit und das Studium konzentrieren zu können und eine Balance zwischen Studium, Beruf und Privatleben zu finden.
Rückblick und Fazit
Nach acht Semestern, unzähligen Lernstunden und viel Durchhaltevermögen halte ich nun meinen Bachelorabschluss in den Händen. Neben der fachlichen Qualifikation habe ich vor allem gelernt, mich selbst zu organisieren, Prioritäten zu setzen und auch in stressigen Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren.
Neben weiterer Verantwortung im Notariat eröffnet das Studium auch weitere Karrieremöglichkeiten außerhalb des Notariats. Nicht nur, dass man bei einem etwaigen Wechsel des Arbeitgebers gegenüber anderen Kollegen mit einem weiteren Abschluss glänzen kann, auch wird sich der Bachelor beim Arbeitgeber positiv auf das Gehalt auswirken.
Und jetzt? Ich habe mich dazu entschieden, berufsbegleitend auch meinen Master in Immobilienrecht (LL.M.) zu absolvieren. Dieser fängt nun bald an und ich freue mich auf neuen Input.
Für all diejenigen, die überlegen, sich neben dem Job dieser Herausforderung zu stellen, empfehle ich, sich nach den möglichen Hochschulen und dem richtigen Studiengang und Modell zu informieren und sich zu fragen, ob man wirklich bereit ist, die Zeit und den Aufwand aufzubringen. Trotzdem würde ich jedem, der sich dafür interessiert, ans Herz legen, es nicht unversucht lassen. Denn man kann sich auch mehr Zeit lassen und muss das Studium nicht in Regelstudienzeit abschließen; Klausuren können verschoben werden und Pausensemester eingelegt werden. Auch kann man in Absprache mit dem Arbeitgeber die Arbeitszeit reduzieren und sich dadurch Zeiträume schaffen, ohne die bisherige Freizeit zu belasten.
Im Hinblick auf die Kosten, die das Studium mit sich bringt, kann man beim Arbeitgeber anfragen, ob er dies (teilweise) unterstützt und sich nach Stipendien oder Studienkrediten umschauen. Ja, ein berufsbegleitendes Studium ist fordernd. Aber es ist machbar – und am Ende lohnt es sich in jeder Hinsicht! Wer Disziplin, Organisation und Motivation mitbringt, wird nicht nur mit einer Bachelorurkunde belohnt, sondern auch mit wertvollem Wissen und einem gestärkten Selbstbewusstsein.

„In naher Zukunft wird es auf Regionalkammerebene zwei spannende Fortbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte im Notarbereich geben: den ‚geprüften Berufsspezialisten‘ und den ‚Bachelor Professional‘. Diese neuen Qualifikationen bieten eine bundesweit anerkannte, praxisorientierte Weiterbildung mit Kammerabschluss und erweitern die Karrierechancen für Mitarbeitende in Notarkanzleien.
Die entsprechenden Verordnungen werden, sofern die Ministerien, das BiBB und verschiedene weitere Gremien gut zusammenarbeiten, voraussichtlich im Laufe des Jahres 2025 veröffentlicht und gehen sodann an den Start. Die beiden neuen Abschlüsse stellen eine vielversprechende Alternative zu den akademischen Karrierewegen dar und werden dazu beitragen, die Fachkräfte von morgen optimal auf die Herausforderungen des Berufslebens vorzubereiten.“
– Ronja Tietje, Vorstandsmitglied RENO Bundesverband