In § 2232 S. 1 BGB wird materiell-rechtlich normiert, dass ein öffentliches Testament zur Niederschrift eines Notars errichtet werden kann, indem der Erblasser dem Notar entweder mündlich seinen letzten Willen erklärt oder ihm eine Schrift übergibt, verbunden mit der Erklärung, dass diese Schrift seinen letzten Willen enthalte.
Besonderheiten bei der Übergabe einer Schrift
Bei der Übergabe einer Schrift sind einige Besonderheiten zu beachten (BeckOGK/Grziwotz, § 30 BeurkG Rn 1.). Gem. § 2232 S. 2 BGB kann die Schrift offen oder verschlossen übergeben werden und muss nicht vom Erblasser verfasst worden sein. Die Schrift kann in beliebiger Form verfasst sein (z.B. eigenhändig, maschinenschriftlich, in einer fremden Sprache usw.); Ort, Datum oder Unterschrift sind nicht zwingend erforderlich (BeckOK BGB/Litzenburger, § 2232 Rn 13). Umstritten ist, ob der Erblasser den Inhalt der Schrift kennen muss (bejahend: Bonefeld/Wachter/Roth, § 2 Rn 80; m.w.N. zum Streitstand: BeckOK BGB/Litzenburger, § 2232 Rn 13.). Die Übergabe von Bildern, Tonbändern, Disketten, CDs oder DVDs ist aufgrund fehlender Schriftlichkeit ausgeschlossen (BeckOK BGB/Litzenburger, § 2232 Rn 13.).
Vorschrift zur Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift
Die korrespondierende verfahrensrechtliche Vorschrift zur Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift findet sich in § 30 BeurkG. Auch bei einer durch Übergabe einer Schrift errichteten Verfügung von Todes wegen muss sichergestellt werden, dass der Erblasser damit tatsächlich seinen letzten Willen zum Ausdruck bringen möchte (BeckOGK/Grziwotz, § 30 BeurkG Rn 1.). Außerdem soll durch eine Kennzeichnung gewährleistet werden, dass die Verfügung eindeutig einem bestimmten Erblasser zugeordnet werden kann, um Verwechslungen auszuschließen (BeckOGK/Grziwotz, § 30 BeurkG Rn 1). Darüber hinaus soll der Notar in der Niederschrift vermerken, ob die Schrift offen oder verschlossen übergeben worden ist (§ 30 S. 3 BeurkG). Dies ist insbesondere erforderlich, da dem Notar bei Übergabe einer offenen Schrift zusätzliche Pflichten auferlegt werden.
Insbesondere trifft ihn bei der Übergabe einer offenen Schrift die Prüfungs- und Belehrungspflicht gem. § 17 BeurkG, nicht jedoch die Verlesungspflicht nach § 13 BeurkG (BT-Drucks V/3282, 35).
Individuelle Anliegen und Bedürfnisse der Mandanten sollten im Mittelpunkt stehen
Auch wenn die Errichtung einer letztwilligen Verfügung durch Übergabe einer Schrift aktuell in der Praxis kaum eine Rolle spielt (so BeckOGK/Grziwotz, § 30 BeurkG Rn 1), könnte das Verfahren für Menschen mit spezifischen Beeinträchtigungen durchaus nicht zu unterschätzende Vorteile mit sich bringen. So könnten bspw. Personen, die an einer sozialen Angststörung leiden, den Kontakt mit dem Notar auf ein Minimum reduzieren. Auch Menschen, die nicht in der Lage sind, einen (längeren) handschriftlichen Text zu verfassen, könnten durch Übergabe der von ihnen diktierten oder maschinenschriftlich abgefassten letztwilligen Verfügung wirksam ein Testament errichten.
|
Praxistipp Notarielle Gestaltungen können in einem deutlich breiteren Rahmen Anwendung finden, wenn den individuellen Anliegen und potenziellen Problemstellungen des Mandanten eine gründliche Analyse gewidmet wird. Eine präzise Ermittlung der Bedürfnisse, kombiniert mit einer darauf abgestimmten Beratung, ermöglicht die Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen – auch auf der Basis rechtlicher Regelungen, die selten Anwendung finden oder als „exotisch“ im Beurkundungsrecht gelten. Der Berater sollte diese Chance nutzen, um durch passgenaue Gestaltungen das Vertrauen in die Qualität und den Mehrwert seiner Dienstleistungen zu stärken. Ein differenziertes und lösungsorientiertes Vorgehen zeigt dem Mandanten, dass seine individuellen Anliegen und Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. |
Ein Auszug aus dem Buch von Julia Roglmeier, Markus Sikora, Walter Krug, NotarFormulare Testamente, 7. Auflage, 2025, S. 25-26
Eine weitere kostenlose Leseprobe finden Sie in unserer Onlinebibliothek Notarpraxis Wissen


