„Irgendwo muss da noch Geld stecken!“ – Auf der Suche nach dem goldenen (Nachlass)Schatz … Verborgene Konten? Notare prüfen gründlich, sind aber keine Spürhunde

Steht einer Person ein Pflichtteil zu, kann diese von den Erben ein Nachlassverzeichnis verlangen (§ 2314 Abs. 1 S. 1 BGB). Notare müssen Nachlass und Vermögen dann genau durchleuchten. Wie sie recherchieren und ausforschend vorgehen, haben sie dabei selbst in der Hand. Die Anforderungen an Notare dürfen jedoch nicht ins Unermessliche wachsen, sagt der BGH (Beschl. v. 07.03.2024, Az. I ZB 40/23). Hatte ein Erblasser mehrere Konten im Ausland, muss der Notar nicht bei allen möglichen dortigen Kreditinstituten anklopfen, um weitere Konten aufzuspüren. Dafür müssen schon ein paar konkrete Hinweise auf Konten oder Gelder auf dem Tisch des Notars landen.

Zoff um das Erbe: Wo stecken Omis Konten?

Im vorliegenden Fall erbten drei Personen: Die Erblasserin hatte ihr Vermögen einer ihrer beiden Töchter vererbt. Ihre andere Tochter war bereits vorher verstorben, hatte aber zwei Töchter. Diesen beiden Enkelinnen (Klägerinnen) hatte die Erblasserin lediglich eine Immobilie in Österreich vererbt. So richtig rund erschien den Klägerinnen das nicht, die mehr Vermögen witterten. Mit ihrer Stufenklage gegen ihre Tante (Tochter 2) begehrten sie Auskunft und Zahlung. Sie meinten, dass ihnen ein Pflichtteil bzw. eine Pflichtteilsergänzung zustehen würde und forderten daher:

  • ein systematisches, mit Vollständigkeitsversicherung versehenes Verzeichnis, das die im Zeitraum September 2000 bis September 2010 an Dritte geschenkten Beträge oder Werte ausweist sowie die jeweiligen Zeitpunkte der Schenkung und die Empfänger, sowie
  • ein gem. § 2314 BGB zu erstellendes notarielles Nachlassverzeichnis. Die Klägerinnen sollten allerdings einbezogen werden, wenn das Verzeichnis erstellt wird.

Mit ihrer Klage hatten die beiden teilweise Erfolg. Die Beklagte erteilte anschließend Auskunft; später wurde zudem noch ein ergänztes notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt, das auch Angaben zu den geschäftlichen Beziehungen mit der Raiffeisenbank Millstättersee in Kärnten (Österreich) enthielt. So richtig zufrieden waren die Klägerinnen mit der Arbeit des Notars nicht; sie vermuteten weiteres Vermögen bzw. weitere Bankkonten. Schließlich hatte die Erblasserin sowohl in Deutschland als auch Österreich Konten unterhalten.

Ihre anschließenden Versuche, den Auskunftsanspruch zu vollstrecken, scheiterten schließlich, bis die Sache vor dem BGH landete. Der meinte: Das Nachlassverzeichnis samt Ergänzung ging in seiner Form in Ordnung. Der Notar müsse nicht „nachbessern“.

Auskunft genügt, aber es gibt Sonderfälle …

Eine weitere Ergänzung konnten die Klägerinnen also nicht verlangen. Die Karlsruher Richter stellten in ihrer längeren Beschlussbegründung auch die Maßstäbe für eine Nachforschung dar, an denen sich Notare orientieren müssten. Diese lehnen sich daran an, welche Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Grundsätzlich ist mit einem notariellen Nachlassverzeichnis die Pflicht zur erteilenden Auskunft gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 u. 3 BGB erfüllt, eine Ergänzung oder Berichtigung kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht verlangen. Ein Notar entscheidet nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen, wie und wo er ermittelt und welche Quellen er abfragt. Allerdings gibt es Ausnahmen, die der BGH im Beschluss zusammenfasste:

1. Notar ermittelt nicht selbst

Ein Anspruch auf Ergänzung/Berichtigung des Verzeichnisses kann bestehen, wenn sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben beschränkt, ohne selbst zu ermitteln.

2. „Fremdes Wissen“ nicht genutzt

Die Auskunft entspricht zwar dem Wissensstand des Verpflichteten, dieser verschafft sich jedoch (weiteres) fremdes Wissen nicht, obwohl ihm dies zumutbar ist. 

3. Angaben fehlen

Im Nachlassverzeichnis ist eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt. Zum Beispiel fehlen Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen.

Diese Ausnahmen trafen hier nicht zu. Nur weil die Erblasserin in Deutschland als auch in Österreich Bankkonten geführt hatte, musste der Notar nicht obligatorisch bei allen deutschen Banken recherchieren. Damit der Notar in der Pflicht gewesen wäre, bei anderen österreichischen Banken nachzufragen, hätte es Indizien bedurft, dass die Erblasserin neben der bekannten Verbindung zu der Raiffeisenbank weitere Konten bei anderen Instituten im Umkreis ihrer dortigen Immobilie hatte. Die Klägerinnen trugen insoweit lediglich Vermutungen vor, die eine (weitere) Ermittlungspflicht des Notars nicht begründen.

Hinweis

Der BGH entschied kürzlich erneut bezüglich der Ermittlungspflicht (Beschl. v. 19.06.2024, Az. IV ZB 13/23). Forscht der Notar mit gebotener Gründlichkeit nach und wirkt auch der Erbe hierbei im erforderlichen und zumutbaren Umfang mit, darf der Notar die Ergänzung des Verzeichnisses bei offenen Unklarheiten nicht verweigern. Er hat den zugrunde liegenden Sachverhalt in das Verzeichnis aufzunehmen und seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen. Andernfalls bestünde Gefahr, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen dem Grunde nach gegebenen Anspruch nicht genau beziffern und ihn damit nicht durchsetzen kann. Umgekehrt sähe sich der Erbe bei einem nicht erstellten Verzeichnis der Gefahr von Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO ausgesetzt.

Christian Noe ist Rechtsanwaltsfachangestellter, Kulturwissenschaftler und freier Journalist. Als langjähriger Autor für verschiedene Medien verfasst er Beiträge für das Fachpersonal in den Rechtsberufen in den Themenbereichen Ausbildung, Digitalisierung, Rechtsprechung und Kanzleiorganisation.