Die Antwort auf die Frage danach, welche Art von Mandanten denn wohl die am liebsten genommene ist, lautet sicherlich allseits:
„Der Pflegeleichte“
Man mag es kaum glauben, aber vereinzelt sind sie noch zu finden. Diejenigen, die sämtliche Unterlagen zur Vorbereitung vollständig und leserlich zur Verfügung stellen, die auf einen Entwurf ein paar Tage warten, die gesetzte Zeitvorgaben einhalten und pünktlich zu ihrem Termin erscheinen.
Es ist herrlich effizient, wenn für die Vorbereitung des Gründungsprotokolls einer GmbH schon im Vorfeld die wichtigsten Eckpunkte geklärt sind: Nicht mehr zehn verschiedene Firmierungen zur Auswahl stehen, die in der Vorbereitung mehrfach abgeändert werden; wenn die Gründer sich untereinander einig sind, das Aufbringen des Stammkapitals geklärt ist und sogar die Geschäftsführung nicht während des Beurkundungstermins ausgetauscht werden muss.
Ein Traum jeder Notarfachangestellten geht in Erfüllung, wenn vor der Beurkundung eines Immobilienkaufvertrages die steuerlichen Identifikationsnummern vorliegen. Im Kalender markieren wir uns dann die Tage, an denen für den Antrag eines Erbscheins alle (wirklich alle!) Personenstandsurkunden im Original (nicht nur in Kopie!) vorgelegt werden können.
Aber mal Hand aufs Herz: Es gäbe viel weniger Aufreger in unserem Alltag, wir hätten viel weniger Geschichten zu erzählen – schlussendlich gäbe es diesen Beitrag gar nicht – es wäre ziemlich langweilig, wenn jede Mandantin und jeder Mandant genau dieser Kategorie angehören würden.
Deswegen, Vorhang auf für den ersten Mandanten aus meinem Katalog an stereotypen Mandantenarten. Vielleicht erkennen Sie ja den einen oder anderen Charakter aus Ihrem Alltag wieder. (Sämtliche Geschlechterbezeichnungen hierbei gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.)
„Der unechte VIP“
Der „unechte VIP“ ist auf besondere Art herausfordernd. Im Gegensatz zu einem waschechten VIP wie Leonardo DiCaprio, Katy Perry oder einem deutschlandweit bekannten Sänger wie Mark Forster, hat man beim „unechten VIP“ kein direktes Bild und schon gar keine Akte vor Augen.
Dennoch setzt er als selbstverständlich voraus, dass man sich an ihn und sein Anliegen auf Knopfdruck erinnert. Bei seinen Anrufen ist er meist unterwegs. Er telefoniert häufig aus dem Auto heraus, weshalb er selten ein Aktenzeichen oder noch weitere zwingend notwendige Informationen parat hat.
Man fühlt sich regelmäßig wie in einem Memory-Match und versucht Stimme, Name und Akte zusammenzubringen.
Aber man müsse ihn ja kennen, er sei doch schließlich der Herr Müller mit dem Kaufvertrag.
Bei solchen Telefonaten lobe ich jedes Computersystem, das die Telefonnummer von dem Herrn Müller mit dessen Akte verknüpfen kann. Sofern der Herr Müller jedoch von einer unterdrückten Nummer anruft, hilft nur noch der Blick in eine Glaskugel.
Gern tritt der „unechte VIP“ in Kombination mit der nächsten Kategorie auf:
„Der Mandant, bei dem alles eilig ist“
Dieser Mandant ist eigentlich so gut wie immer im Stress und neigt dazu, seinen Stress auf uns Notarfachangestellte übertragen zu wollen. Klassischerweise müssen Vorratsgesellschaften ganz spontan gegründet und per Eilantrag beim Handelsregister eingereicht werden oder die überlebenswichtige Grundschuld eilig zu Gericht gebracht werden.
Die Adjektive „dringend“, „eilig“ und „wichtig“ gehören zum festen Wortschatz dieses Mandantentyps. Termine braucht er am besten sofort, schlägt hierfür proaktiv auch gerne einmal das Wochenende vor.
„Die goldene Generation“
Wenn auf ein Telefonat, „in dem alles eilig ist“, ein Gespräch mit einem Mandanten „der goldenen Generation“ folgt, fühle ich mich gelegentlich wie eine Reisende am Bahnsteig. Eben noch rauschte der Güterzug mit voller Geschwindigkeit an mir vorbei, ehe im nächsten Moment ganz gemütlich eine Regionalbahn im Gleisbett eintrudelt.
Hier sind die Mandanten gemeint, die ihren Auftrag am liebsten per Post oder per Fax an uns senden und ihre E-Mail-Postfächer selten bis gar nicht öffnen. Es sind diejenigen, die ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht ganz besonders schätzen.
Gewiss ahnen Sie nun schon, dass ich dieser Kategorie überwiegend die ältere Generation zuordne. Meist sind es Menschen aus dieser Gruppe, die zwischendurch in den Büroräumen auftauchen, um nur mal kurz etwas abzugeben oder um persönlich ein paar Fragen loszuwerden. Für die „goldene Generation“ ist Technik Firlefanz. Ihre lebenslang gesammelten Dokumente bringen sie mir am liebsten in ihrem gut sortierten Ordner vorbei, damit ich die Löschungsbewilligung aus dem Jahre 1984 herausfischen kann.
„Der, der ungern Kontrolle abgibt“
Was für uns der alltägliche Job ist, ist für unsere Mandanten oft mit einem lebensverändernden Ereignis verbunden. Für die Mehrzahl an Menschen bedeutet der Beurkundungstermin beim Notar einen großen Schritt im Leben.
Die typischen Fragestellungen kennen Sie bestimmt zur Genüge:
- „Sie sind wirklich sicher, dass ich den Kaufpreis jetzt überweisen kann?“
- „Sollten wir nicht doch lieber über ein Notaranderkonto nachdenken?“
- „Wieso ist denn der Voreigentümer im Grundbuch immer noch eingetragen und auch noch unterstrichen? Das ist doch jetzt meins!“
Bei manchen Mandanten muss eben zunächst das Urvertrauen in uns als Sachbearbeiter hergestellt werden, ehe beispielsweise der Kaufpreis überwiesen oder die Chronologie des Grundbuchs akzeptiert wird. Da hilft meist nur: Kompetenz ausstrahlen und das Gesagte in ruhiger Tonlage so oft wiederholen, bis der Gegenüber beruhigt ist.
Natürlich gibt es auch diejenigen, die routiniert ihre Zeit beim Notar verbringen:
„Der Profi“
Dieser Mandant ist wie die Bezeichnung schon verrät ein waschechter Könner. Für gewöhnlich liefert er die benötigten Informationen von ganz allein und fertigt beispielsweise auch Gesellschafterbeschlüsse seiner Gesellschaft fehlerfrei selbst an.
Die Zusammenarbeit mit dem Profi läuft wie am Schnürchen. Da er regelmäßig mit dem Notar zu tun hat, sind ihm auch die gängigen Gebühren geläufig. Mit dem Profi muss man nicht diskutieren, warum in seiner Kostenrechnung für die GmbH-Gründung Zahlen wie 30.000 oder 60.000 zu finden sind, wo das Stammkapital seiner Gesellschaft doch gerade einmal 25.000 Euro beträgt.
Aber auch andere, die nicht vom Fach sind, können sich einen Platz in dieser Kategorie erkämpfen. Erst neulich lieferte mir ein Mandant einen perfekt ausgestalteten Familienstammbaum, der die Erben bis hin in die dritte Ordnung (mit Geburts- und Sterbedaten!) aufgeschlüsselt hatte. Mit dem Prozedere eines Erbscheinsantrages war er bereits bestens vertraut und wusste auch schon, dass der ganze Stammbaum mit Personenstandsurkunden belegt werden musste. Ganz klar, ein angehender Profi!
„Der Dankbare“
Mag der Mandant noch so kompliziert, noch so chaotisch oder noch so hektisch sein. Ein aufrichtiges „Dankeschön“ am Ende des Tages bewirkt wahre Wunder und ist Balsam für jede Notarfachangestelltenseele.
Und auch hier tut es gut zu wissen, dass neben den Genervten oder übermäßig Gestressten auch noch diejenigen existieren, die es eben nicht für selbstverständlich nehmen, dass ich ihren Termin für die Beurkundung der Finanzierungsgrundschuld noch in die Pause des Notars gequetscht habe und ich dafür jetzt selbst einen missmutigen Blick vom Chef riskiere.
Es sorgt für neue Motivation, dass es sie gibt – diejenigen, die nach der Eigentums-umschreibung eine Schachtel Pralinen oder gar eine ganze Box voll Donuts vorbeibringen, um sich bei dem ganzen Team für die Arbeit zu bedanken. Die Mandanten, für die „Bitte“ und „Danke“ keine Fremdwörter sind.
Welche verschiedenen Charaktere von Mandanten in einer Rechtsanwaltskanzlei typischerweise auftreten, hat Mareike Späth in ihrem Beitrag „Mandanten – Wir lieben sie!“ von Alles für ReNos näher beschrieben. Wie ich einen der dort vorgestellten Charaktere auch im Notariat kennengelernt habe, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen.
„Der Verschollene“
Wer kennt ihn nicht: Plötzlich ist er da, gibt seinen Auftrag ab, arbeitet fleißig an der Entwurfsgestaltung mit und dann passiert lange gar nichts. Keine Reaktion auf Sachstandsanfragen per Mail und bestenfalls ist auch die Post nicht mehr zustellbar. Herrjeh, was also tun? Entwurf abrechnen und auf einen Zahlungseingang hoffen? Doch ehe man sich Sorgen machen kann, ob der Auftraggeber wirklich verschollen, ausgewandert oder untergetaucht ist, ist er wieder da. Und plötzlich ist alles dringend und „der Verschollene“ entwickelt sich kurzerhand zu dem Mandanten, bei dem „alles eilig ist“.
In manchen Momenten bringen sie uns zur Weißglut. Im nächsten Moment bringen sie uns zum Lachen. Manchmal geraten wir ihretwegen in Extra-Stress und ab und zu hegen wir ihretwegen Kündigungsgedanken.
Doch letztendlich verdanken wir all diesen verschiedenen Menschen unsere Abwechslung im Alltag, die unseren Beruf so vielfältig macht.
Einige meiner Freunde sagen mir gelegentlich, der Büroalltag sei ihnen zu langweilig. Sie bräuchten Action im Alltag ohne Gesetzesdschungel. Sie würden lieber mehr mit Menschen und ihren persönlichen Anliegen als mit Akten zu tun haben. Vielleicht sollte ich ihnen in Zukunft einfach meine ständig wachsende Liste an Mandantentypen als Beweis für Action in meinem Alltag vor die Nase halten. Denn auch wenn ich in diesem Beitrag Mandanten in verschiedene Schubladen sortiert habe, ist eines ganz klar: Jeder von ihnen prägt unsere Arbeit und unseren Alltag auf seine ganz eigene Art und Weise.
Ganz egal welchem Typ unsere Mandanten schlussendlich entsprechen, ob sie Eigenschaften mehrerer Kategorien aufweisen oder sogar ihre ganz eigene eröffnen. Ohne sie wäre unser Job einfach nicht derselbe!