Motive zum Abschluss eines Übergabevertrags

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Erforschung vor Entwurfsgestaltung

Gesetzlich ist der Begriff des Übergabevertrags nicht definiert.

Hier liegt eine notarielle Vereinbarung vor, meistens dergestalt, dass ein Übergeber sich verpflichtet, einem Übernehmer ein bestimmtes Vermögen zu übereignen. Oft beläuft sich das Vermögen auf eine Immobilie, die auch aufgelassen wird (§ 925 BGB) und zwar typischerweise an einen nahen Angehörigen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Die Übertragung ist überwiegend schenkweise gestaltet und enthält zu einem Teil Gegenleistungen oder Vorbehalte (z.B. Wohnrechte oder Schuldübernahmen).

Von dem Begriff des Schenkungsvertrags geht man i.d.R. aus, wenn ein Schenker sich verpflichtet, einem Erwerber ohne Gegenleistungen einen Vermögensgegenstand „voll“ zu schenken, ggf. auch im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge oder bei Eheleuten auch als eine ehebedingte Zuwendung denkbar.

Der Überlassungsvertrag kann rechtlich weiter als eine Vereinbarung begriffen werden, durch die eine Person einer anderen Person ein Recht, ein Gut oder eine Dienstleistung überlässt. Er kann z.B. im Arbeitsrecht angewendet werden. Häufig kommt er im Immobilienrecht zur Anwendung.

Wichtig!
Ganz gleich, welche Überschrift ein Notar für eine notarielle Vereinbarung wählt, am Ende ist der vertragliche Inhalt und nicht die Überschrift entscheidend.

Die Motive zur Vereinbarung eines Übergabevertrags sind praktische, je nach Lage des Falls sehr unterschiedliche: Daher ist stets der genaue Wille der Beteiligten dazu zu ergründen. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die der Notar wahrnimmt und die auch für ihn besonders anspruchsvoll sein kann.

Der Übergabevertrag betrifft ein komplexes Themengebiet. Den Beteiligten ist oft wichtig, dass möglichst große Anteile des Vermögens des Übergebers im Besitz seiner Familie verbleiben.

Die Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten sollten möglichst noch vor der Fertigung des Entwurfes erfasst werden, um angemessen beraten zu können und damit auch ein gefertigter Entwurf nicht mehrfach umgestaltet werden muss. Der Notar erforscht im Idealfall daher sowohl die Wünsche und den Willen des Übergebers als auch die Vorstellungen, die der jeweilige Erwerber dazu hat, um diese in einem ersten Entwurf zu dokumentieren.

Der Notar und in manchen Büros auch ein besonders qualifizierter Mitarbeiter erfragt die notwendigen Daten zu den Beteiligten und zum Objekt, das vertragsgegenständlich gemacht werden soll; er beantwortet die rechtlichen Fragen der Beteiligten und berät sie dazu.

Den Beteiligten verdeutlicht er zudem ggf. die Tragweite der geplanten Vereinbarung. Er prüft, wie die Wünsche der Beteiligten sinnvoll und steuerunschädlich umgesetzt werden können, wobei er eine keine steuerrechtliche Beratung leistet, jedoch auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinweisen wird.

Sondierung des Stammbaums

Eine wesentliche Aufgabe betrifft zunächst die Sondierung des Stammbaumes des Übergebers. Der sollte in den Blick genommen werden, um folgende Fragen zu klären:

  • Gibt es ein Kind oder mehrere Kinder des Übergebers?
  • Soll nur ein Kind beschenkt werden oder noch weitere bzw. alle Abkömmlinge des Übergebers?
  • Sollen Geschwister weichen, um einem anderen Kind des Übergebers den Immobilienerwerb zu ermöglichen?
  • Sollen Abfindungen an weichende Geschwister gezahlt werden und wenn ja, kann der Erwerber diese leisten?
  • Beabsichtigt der Übergeber weitere Kinder später gesondert, auch durch Schenkung, zu bereichern?
  • Gibt es einen Ehegatten des Übergebers, der ggf. nicht Miteigentümer der Immobilie ist, aber dennoch abgesichert werden soll?
  • Welchen eherechtlichen Güterstand haben die an der Schenkungsurkunde beteiligten Personen? Muss der Ehegatte des Übergebers zustimmen?
  • Ist der Erwerber verheiratet und soll auf dem schenkungsgegenständlichen Grundstück ein Wohngebäude erst noch durch den Erwerber errichtet werden, sodass der Ehegatte des Beschenkten neben diesem oder auch gänzlich allein den Bau finanzieren muss?

Die Aufnahme des Stammbaums nützt zusätzlich, weil

  • Beteiligte häufig nicht lediglich einen Übergabevertrag, sondern auch noch ein Testament oder Erbvertrag errichten wollen,
  • ggf. die Beteiligten auch in diesem Zuge noch General- und Vorsorgevollmachten ggf. mit Patientenverfügungen umsetzen wollen,
  • der Notar/der Sachbearbeiter sich zu einem späteren Zeitpunkt mit Blick auf die Familienverhältnisse erneut zügig einfinden kann, etwa bei Veränderungen oder Ergänzungen des Entwurfes, zur Beurkundung und auch im Rahmen des Vollzuges des Übergabevertrags (z.B. bei Nachfragen des Grundbuchamts, die dann zügig beantwortet werden können).

Ein Auszug aus der eBroschüre Elsing, Übergabevertrag in der notariellen Praxis, 1. Auflage, 2025, S. 4 – 5.

Eine weitere kostenlose Leseprobe finden Sie in unserer Onlinebibliothek NotarPraxis Wissen.

André Elsing ist Bürovorsteher eines großen Notariates und verfügt über langjährige Berufserfahrung. Er ist Autor in notarrechtlichen Fachzeitschriften und leitet Seminare und Vortragsveranstaltungen für Notarfachangestellte.